Das Risiko begrenzen? Becks Kritik an Grenzwerten (Risikophilosophie)

risk of death
Wie sollen wir die Gefahr begrenzen? Foto von Haury

Grenzwerte sind nun tatsächlich eins der problematischsten Kapitel an unserem Risikomanagement, denn wie kommen wir überhaupt zu den Grenzwerten? Die Relativität dieser Grenzwerte ist teilweise erschreckend und es ist unklar woher der Maßstab für diese kommt.
Dass Grenzwerte, die im Tierversuch ermittelt werden, problematisch sind, sollte jedem bereits bewusst sein. Bis auf Tiger hat man wohl mittlerweile schon so gut wie jede Rasse auf Ähnlichkeit zum Menschen untersucht. Selbst Elefanten waren nach Beck wohl schon im Gespräch. Problematischer ist aber, wie uns die Grenzwerte überhaupt etwas sagen sollen. So wird zum Beispiel naturwissenschaftlich eine Schadstoffverteilung veranschlagt, soziale Gefährdungslagen werden aber nicht berücksichtigt. Im Mittel sind Deutsche Bürger zum Beispiel nur geringer Bleibelastung ausgesetzt. Was bedeutet das aber? Wenn zwei Männer einen Apfel haben, so Beck, und einer ist einen, haben beide einen halben Apfel gegessen.


Gemittelt kommen wir natürlich zu anderen Gefährdungslagen, wichtig ist aber die Gesamtheit der Schadstoffkonzentrationen. Wir können daher nicht ausschließen, dass sich untere Gesellschaftsschichten ganz anders vergiften als reichere. Unsere Gesellschaft ist im Mittel vielleicht wenig belastet. Einzelne Exemplare unsere Gattung werden aber als Versuchstiere in Langzeitstudien verbraucht.

Ich verstehe Beck nun so, dass wenn wir auf allen Ebenen die einzelnen Grenzwerte senken, wir bei den dann vorkommenden minimalen Schadstoffkonzentrationen statistisch kaum noch Korrelationen nachweisen können. Wie im letzten Artikel dargestellt, gilt es dann als Qualitätsplus der Wissenschaften, darauf zu bestehen, dass hier kein gesicherter Zusammenhang bestehe. Die Mikrowelle, das Handy, die Spritzstoffe für Gemüse, die Zusatzstoffe im Essen, die Autoabgase, das Ozon, die Spülmittel, die Medikamente überall summieren sich aber, so Becke, die „Unbedenklichkeiten bedenklich“. Beck spricht von einer Giftmörderbande, wo vor Gericht keiner zur Verantwortung gezogen werden kann, da ja alle im Rahmen der zulässigen Grenzwerte niemanden vergiftet haben. Das „Endsammelbecken“ Mensch wird dabei zum möglichen Wechselwirkungsort aller Stoffe, die zusammen kommen. Empirisch lasse sich da kaum noch etwas nachweisen. Da die Unbedenklichkeiten, denen wir aber täglich ausgesetzt sind, in der Summe fragwürdig sind, schlussfolgert Beck: Wer die Verschmutzung an einer Stelle begrenze, habe einer allgemeinen Verschmutzung sogleich zugestimmt. Grenzwertdefinition basieren daher auf der Irrannahme des Einzelvorkommens eines Grenzwertes. Ein gesamtgesellschaftlicher Umgang aber ist kaum diskutabel. Im Grunde müsste eine Erforschung von ungiftigen Stoffen erfolgen und nicht die Ermittlung von Grenzwerten.

Organisierte Unverantwortlichkeit
Gleichzeitig lässt die Wissenschaft, die der Politik Grenzwerte vorlegt, das Verursacherprinzip verschwinden. Die Schadstoffgehalte in der Luft kommen aus vielen Schloten, die Schadstoffe in unserem Essen von vielen Akteuren. Wer nun auf die Kausalität besteht, findet plötzlich keinen Verursacher mehr. Die Wissenschaft unterstützt diese ungesicherten Kausalzusammenhänge. Rationalität verwandelt sich in Irrationalität. Auf einmal stehen wir nur noch vor dem generalisierten Anderen, dem System, was nichts mehr mit seinen Akteuren gemein hat. Die organisierte Unverantwortlichkeit nimmt ihren Lauf. Im Falle eines ökologischen Desasters kann dann mit Bedacht das „Schwarzer-Peter-Spiel“ gespielt werden. Denn letztlich war es tatsächlich niemand. Dieses ist die Insitutionenkrise die Beck beschreibt.
Die Institutionen müssen also irgendwo sozial wieder zurückintegriert werden. Beck schlussfolgert in Anlehnung an Kant daher: „Wissenschaft ohne soziale Rationalität bleibt leer, soziale ohne wissenschaftliche Rationalität blind.“


Die Grenzwertanalyse gehört wohl zu Becks überzeugensten Abschnitten in „Risikogesellschaft.

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