Der Grexit soll nun aus einer fortwährenden Krise die Ansteckungsgefahr europäischer Staaten auf die Probe stellen. Inwieweit greift dann das großpolitische Finanzgemetzel in unsere Tasche? Für mich ist das relevant, da meine Familie aus Europa zu Besuch kommt und nächste Woche vielleicht stark entwertete Euros in Dollar wechseln muss. Dabei sind wir natürlich nicht wirklich schockiert. Die Malaise ist eigentlich einer Erscheinung der Moderne und Europa steckte schon immer halb im Geburtskanal, der irgendwie auch immer hin zum Sterbebett führte. Unsere Krankheit über öko-logische Verhältnisse zu leben entspricht einem Räuber-Beute-Prinzip und auch wenn wir darauf keine letzte Zigarette mehr rauchen, wir prosten uns nochmal zu, als wären wären wir auf einer Selbstmörderparty.
Trotz dialektischem Schwelen zwischen Macht und Übermacht sind Krisen dabei nicht nur dumpfe Inhalte unserer Zeitungen, sondern ein mediales Hintergrundrauschen; mit unter auch ein romantisches Lagerfeuerknistern. Wir informieren uns über die Krise morgens im Radio. Lagerfeueratmosphäre kommt auf. Abends schauen wir wie zu einem Feuerwerk am Medienhorizont hinauf. Was ist schon eine Krise? Für uns, eine Generation, die immer mehr brauchte und immer mehr verbrauchte, bleibt auch dieses vermeintliche Gewitter wie eben Nachrichten über ein anderes Wetterungeheuer. Wer einen warmen Sommer aushält, der hält auch mal eine Krise aus. Wer einen Schnupfen hat, der erholt sich auch schon mal mit Homöopathie. Und die Krisenzigarette rauchen killt nur langfristig, aber gelebt wird jetzt. Was ist schon Askese wert im Vergleich zu einer guten alten Selbstmörderparty? Wahre Dialektik aber endet mit dem Genuss und natürlich muss die normale Arbeit auch weiter gehen. Wir erzählen Geschichten nicht zu Ende, weil wir keine Zeit haben. Geschichte übersteigt unsere Lebenszeit. Das ist alles kein Vorwurf. Die Meinung ist dabei die Abkürzung zum Circle-Jerking der Verschwörungstheoretiker. Meinungen sind noch irgendwie in ein Gehirn pressbar.
Aber die Krise hat auch andere Konsequenzen für das europäische Narrativ: Europa kennt keine Helden, denn Medien können keinen Kelmut Hohl mehr installieren. Dafür ist das Internet zu fraktuiert und mit Routineverschwörungstheorien beschäftigt. Es sollte ja nur eine linke Regierung gestürzt werden.
Ach, aber Russland, wohin steuerst du nur? Ich habe so gerne deinen russischen Klavierkadern gelauscht und deine Schachpartien studiert. Es war alles nur Prestige richtig?
Aus Anlass des Weltkrieg-Gedenkens wurden im Mai auch fünf neue Stalin-Denkmäler in verschiedenen russischen Städten eingeweiht. http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-05/wladimir-putin-bueste-statue-verehrung
Hurra, Putin, deine Politik ist genauso gut wie Stalins. Da fällt mir ein: Ich weiß noch wie meine Kindergartenerzieherin in der DDR mir einst ein Zäpfchen gegen Fieber in den Hintern schob. Wir gingen in einen kleinen Raum und dort hing das Bild unseres großartigen Parteiführers, Erich Honecker. Später dann als ich krank war und ihn im Fernsehen sah, rannte ich schnell in die Küche und sagte meiner Mutter, sie sollte schnell ins Wohnzimmer kommen. Als sie ins Wohnzimmer kam, erklärte ich ihr, dass Erich Honecker im Fernsehen sei. Der wollte ja auch nur das beste für uns. Und wie ist das mit Russland?
Der Präsident wird nicht nur freiwillig verehrt. Gleich zu Beginn seiner ersten Amtszeit im Jahr 2000 verordnete Putin, dass sein Konterfei in Behördenbüros zu hängen habe. In der Privatwirtschaft ist es inzwischen nicht mehr nur eine Frage des guten Geschmacks, es den Behörden gleichzutun. http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-05/wladimir-putin-bueste-statue-verehrung Â
Völker werden in der Zwischenzeit zu Brüdern, schließlich ist es für China und Russland wichtig, gemeinsame Militärmanöver im Mittelmeer abzuhalten. Und wer jetzt sagt, die Nato macht das ja auch, der folgt einer irren Logik, denn, was falsch ist, wird nicht dadurch richtig, dass andere es machen. Natürlich wissen sie das, ich weiß. Irgendwie weiß ja jeder alles. Aber die Verbrüderung von Russland und China folgt einer Aufrüstung von Staaten, die durch Kooperation nicht viel zu befürchten hatten. Meine These hierzu ist folgende: Da die Verteilung der Macht auf wenige Reiche in ihren Staaten erfolgen soll, rüsten Staaten auf. Reiche wollen nicht kooperieren und dabei Vermögensanteile an die Demokratie abgeben. Das ist die eigentliche Gefahr für Russland und Russland bleibt eine Oligarchie, auch wenn Putin einigen Milliadären den Hals abgeschnitten hat.
Ich gebe zu: Reichtum will keine Demokratie und natürlich ist das auch ein Problem demokratisch stark limitierter Kaptitalismen  wie hier in Amerika. Aber eins ist für mich klar, das ist kein Kommunismus der gegen das böse Amerika antritt, sondern eine prinzipielle Dynamik, die nicht gut zu heißen ist und da hilft auch kein Putin verstehen. Wenn ich mir dann Meinungsfreiheit, Gefängnissysteme, den Umgang mit Kindern anschaue, dann denke ich, dass wir in der westlichen Welt noch einen Vorsprung an Demokratie haben, auf den ich mich konzentrieren möchte, ihn auszubauen. Ich habe keine Zeit Russland zu verstehen.
Im Weiteren gerät der Krieg zu einem Krieg an allen Fronten, so dass Europa zwischen Überwachung der Amerikaner, dem erotischen Putin (der seine populäre Manneskraft an der Front gegen den Westen stählt) und dem IS bedroht wird, der ja Angriffe über das Mittelmeer auf den weichen Leib Europas plant. Von der inneren Bedrohung einer entfesselten Meinungsdemokratie ganz zu schweigen. Es scheint aber als müsste Deutschland sich damit begnügen für Gerechtigkeit zu streiken, obwohl es internationale Gerechtigkeit noch nicht verstanden hat. Warum aber ist Deutschland und Amerika besser? Ich habe mir tatsächlich eines der Schlächtervideos der IS angeschaut und bin entsetzt wie professionalisiert die Abschlachtung von Menschen dort im Namen einer Religion ästhetisiert wird. Amerika foltert ohne Frage, ob es sind nicht Millionen an Menschen, die in Konzentrationslagern verdampft, ertränkt und enthauptet werden. Natürlich muss auch Amerika sein Demokratieverständnis überarbeiten. Wenn ihr das anführt, dann ist das ohne Frage. Aber Amerika ist entsubstantialisiert eben doch zu Selbstkritik in der Lage. Warum müsst ihr hier zwei schlechte Karten konstant gegeneinander auszuspielen versuchen?
Was passiert derweil in China? Man schüttet Sandburgen im Meer auf, weil Vietnam damit angefangen hat: http://blog.zeit.de/china/2015/05/19/chinas-landgrabbing-im-suedchinesischen-meer/
China glaubt, wer das stärkere Militär hat, der verliert auch kein Gesicht. Und so kann China auch schon mal anmerken, dass sie den internationalen Gerichtshof nicht anerkennen werden, es sei denn er entscheidet sich natürlich für ihre Rechte. Und was sagt der Meinungsmacher neben mir: Internationaler Gerichtshof, das ist doch dieses amerikanische Instrument, das Bush wegen seiner Kriegsverbrechen nicht verurteilt. Wohin fällt euer Nihilismus letztlich, wenn ihr darin nicht auch eine Errungenschaft sehen könnt, die der Kampf für Demokratie gebracht hat? In Demokratien können nicht alle gesellschaftlichen Gebilde von wenigen Entscheidern kontrolliert werden, und darum lehnen autoritäre Regime demokratische Instrumente ab. Der Ausbau bestehender Institutionen ist nicht viel Wert im Hinblick auf den Kindergartenstreit, wer angefangen hat. Stattdessen aber pusht das Internet an harte Meinungsfronten:
Viele deutsche Verdrossene haben ein Jahr der Erweckung hinter sich. Sie haben sich auf Demos kennengelernt und in Facebookgruppen vernetzt. Sie haben sich gegenseitig bestätigt, dass es nicht radikal sei, Schwule für krank zu halten und Muslime für gewalttätig. Im diffusen Milieu der Unzufriedenen hat sich eine handelnde Gruppe der Wütenden herausgebildet. Die AfD, und zwar der nationalkonservative Flügel, hat Zugang zu ihnen. http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-05/afd-lucke-ausstieg-weckruf2015/seite-2
Man hat sich bereits auf die richtige Strategie innerhalb Europas geeinigt, nämlich seine Feindbilder zu kultivieren. Es passt zu den Gefahren, die den Horizont Europa umschließen. Und ja dazu gehört auch Putin, aber nicht Russland. Es wird Zeit Festungen zu bauen oder? Die Globalisierung erfährt ihre Grenze in den Meinungsverschiedenheiten, die sich mit der Anzahl der Diskursteilnehmer potenziert. Frigida, Ausländerfeinde aus Freising haben sich dabei bereits im Namen klar definiert: Intellektuell fruchtlos. Aber was sagt der vermeintlich intellektuell Potente dazu, der mir nun vorwirft, dass ich Putin als Feindbild institutiere?
Ich tauge einfach nicht für die reine Lehre. Egal ob Kapitalismus, Sozialismus oder Liberalismus: Ich konnte noch nie etwas mit –Ismen anfangen. Sobald nämlich eine Idee zur Bewegung wird, fordert sie Anpassung. Und das löst ihn mir reflexhaften Widerstand aus. http://www.huffingtonpost.de/2015/04/20/veganer-erziehen_n_7099460.html
Gut hier ist nicht Russland im Kern des Gesprächs, aber die Umlenkung des eigentlich Skandalösen in eine entsubstantialisierte Dialektik ist prekär. Die Frage nach den Ursachen und von gesellschaftlichen Dynamiken ist ein Teil unserer gesellschaftlichen Selbstkritik, aber sie ist in einigen Punkten schlichtweg falsch und täuscht über die Substanz hinweg. Wir sehen in diesem Clickbait-Artikel, der eben nur darauf angelegt ist, Klicks zu erzeigen, dass diese Meinung sogleich zur Ablehnung dessen führt, was pure Ausbeutung des Sein anprangert. Die Ausbeutung der Umwelt durch den Menschen und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Dies sind die wahren Themen, die zusammengehören. Was also haben Veganer mit Meinungen zu tun?
So geht es mir auch mit dem Veganismus. […] Ich bin nur noch genervt von deinen Hühnerhof-Schockvideos. Warum? Du sprichst nicht mit mir. Du brüllst mich nur noch an. Das finde ich nicht nur unhöflich, sondern auch verdammt ignorant. http://www.huffingtonpost.de/2015/04/20/veganer-erziehen_n_7099460.html
Lieber Herr Ignorant, die Welt brüllt, weil das Leid so unglaublich ist.  Wo das Mitgefühl aufhört, dort beginnt dann das großpolitische Gezanke und Theater. Dein -Ismus, vor dem du dich so reflektiert flüchtest, heißt, Nihilismus, und genau dahin führt eine entsubstantialisierte Dynamik von puren Rechtsstaaten, in reines Meinungsgerangel und eine egalen Gleichheit. Und was passiert mit Griechenland morgen? Es werden noch nicht alle Instrumente abgestellt, der komatöse Patient hängt noch am Tropf der EZB. Griechenland wird sich zum Referendum retten und für nach einer Woche mit Schrecken und blauem Auge für das Hilfspaket stimmen. Gut, mit all diesen halben Fragmenten gebe ich zurück nach Deutschland und widme mich wieder meiner Dissertation, um das ganze systematisch auszuarbeiten. Ach und wer noch einen wirklichen, guten Text zum Thema Griechenland lesen will, der sollte sich natürlich nicht mit meiner halben Meinungsmache auseinandersetzen, sondern Habermas studieren:
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/europa-sand-im-getriebe-1.2532119
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Norman Schultz
Pittsburgh, Juni 2015