„Star Trek – Beyond“ und seine existentiale Parallele zu Melvilles „Moby Dick“ – Berichte aus Pittsburgh

Wieder habe ich eine lÀngere Zeit nichts von mir blicken lassen. Hier sind die Punkte um die es mir heute geht:

  • Veröffentlichung meines Artikels zur Freiheit und KausalitĂ€t im Journal Philosophy Pathways
  • Fotografieprojekt in Pittsburgh mit Lauren und Christian
  • Star Trek -Beyond und seine Paralelle zu Melvilles Moby Dick
  • Weitere Filmempfehlungen und unser Halket-House Kinoprojekt

 

1. Online Journal Philosophy Pathways

Dank an Matthew Sims fĂŒr seine Arbeit an dem Online-Journal Philosophy Pathways. Darin ist ein Artikel von mir zu dem Problem von Freiheit und KausalitĂ€t veröffentlicht. Ich freue mich vor allem ĂŒber das qualitative Lektorat, wobei er viele interessante Fragen aufgeworfen hat, die mich in meinem Dissertationsprojekt weitervoranbringen. Der Artikel stellt einen Auszug aus meiner Dissertationsarbeit dar und heißt:

Freedom in Hegel – Why the Concept of Self-Consciousness is a Precondition for a Theory of Causality –

Ich argumentiere, dass sowohl unser KausalitĂ€ts- als auch unser Freiheitsbegriff Abstraktionen von einem grundlegenderen Problem der Wirklichkeit („actuality“) menschlicher Existenz sind. Wir sind weder kausal-determinierte Maschinen, noch handlungsfreie, transzendental-göttliche Seelen, sondern unsere Existenz ist das Problem zwischen diesen beiden Abstraktionen die Wirklichkeit zu bilden. Wir leben den Konflikt zwischen KausalitĂ€t und Freiheit als reales Dilemma. Danke an Matt.

2. Fotografie

Ich war mit Lauren (22 und Designstudenten in Pittsburgh) und Christian (24, Schauspiel- und Designstudent aus Los Angelos) in Pittsburgh unterwegs. Hier ein paar Resultate unserer Fototour:

Pittsburgh Skaters from LA

Wie man sieht habe ich mich perspektivisch weiterentwickelt. Zudem unterbelichte ich Fotos nun, um spĂ€ter verschiedene Effekte zu erreichen. Ich habe noch ein paar Schwierigkeiten mit chromatischen Farbverschiebungen, die dabei auftauchen und weiß nicht, wie ich das am effizientesten löse.

3. Star Trek – Beyond und das existentielle Dilemma des Forschers – Eine Parallele zu Moby Dick

Ich habe es nun mal endlich wieder ins Kino geschafft. Hier mein Review zum neuen Star Trek-Beyond und ein partieller Vergleich mit dem Roman Moby Dick.  Star Trek einst intellektueller Gipfel meiner Kinderzimmerzeit. Damals, ich schob eine Videokassette in den Rekorder, schon schlug LogikkĂŒhlschrank Spock vor, die Enterprise um die Sonne zu steuern. Mit Transzendentalschwung des Sterns landete Star Trek im San Fransisco unserer Zeit (naja gut der 80er). Aus unserem Blick auf die Zukunft heraus unsere Gegenwart betrachten, das hat mein Kindergehirn irgendwie umgehauen und wochenlang fasziniert. In einem anderen Kino-Schinken fragte Captain Kirk noch nach Gottes Personalausweis:

 

  • Kirk: Wozu braucht Gott ein Raumschiff?
  • McCoy: Jim, was tust du denn?
  • Kirk: Ich stell‘ ihm ’ne Frage.
  •  Gott: Du zweifelst an mir?
  • Kirk: Ich will einen Beweis!
  • McCoy: Jim, was soll das? Willst du seinen Personalausweis sehen?

 

So eine Audienz mit Gott, das hat mich zugegeben schon in den Sessel gedrĂŒckt:

Die Frage nach der Schöpfung als Grenze unserer Forschung, die Schöpfung von Planeten und der Zorn Khans als die Rache eines diesseitigen Gottes bildete das philosophische RĂŒckgrat der Serie:

Dann aber die Borg mit ihrer anonymen Assimilierungskultur, meine favourisierten Bösewichte und so auch Star Trek – Der erste Kontakt. Piccard mit den Borg verschmolzen, musste nicht nur mit ihnen kĂ€mpfen, sondern auch in eine kriegerische Vergangenheit der Erde zurĂŒckreisen, um den ersten Kontakt zu den Vulkaniern herzustellen. Dabei ging es um das VerhĂ€ltnis von Frieden, Freiheit und KausalitĂ€t.

Star Trek hat mich schon frĂŒh zum Philosophen erzogen. Dennoch Star Trek alterte und die philosophischen Dialoge konnten mit dem Haudrauf-Kino, den aufgeblasenen Actionschlachten und den jugendlichen Anabolikaboliden nicht mehr mithalten. Aus diesem Grund musste JJ Abrahms das ganze Epos um ein paar Explosionen erneuern und alle Charaktere von Grund auf neu heranzĂŒchten. Der Wiederstart der Serie ließ daher eine alternative Zeit entstehen, die immer noch in unserer Welt mit genau den gleichen Charakteren spielt, nur dass es ein Paralleluniversam ist. Und wir haben GlĂŒck, denn in diesem Universum kracht und knallt es mehr, dafĂŒr aber gibt es weniger philosophische Dialoge. Doch schon in der zweiten Fortsetzung stellt „Star Trek“ sich selbst die Sinnfrage, weil es nicht immer nur knallen und krachen kann:

„Das mit den beiden epischen Abrams-Filmen gestartete „Star Trek“-Projekt der Kino-Neuzeit geht jetzt, da die neuen Darsteller und ihre Rollen etabliert sind, etwas weniger hochglanzpoliert in Serie, in die MĂŒhen der Ebene des kontinuierlichen Kassemachens. .“ http://www.spiegel.de/kultur/kino/star-trek-beyond-die-teuerste-tv-episode-aller-zeiten-a-1103750.html

Die endlose Reise zu anderen, zermĂŒrbenden Alltags-Abenteuern zerren an Captain Kirks (Chris Pines) IdentitĂ€t. Ist ein Mann wie er nicht fĂŒr die heroischen Abenteuer im Weltall gemacht? Ist Star Trek nicht eine nie endende Weltraumschlacht, ein Krieg des Forschens und Forschen des Krieges?

Genau hier habe ich fĂŒr einen Moment geglaubt, der neue Star Trek wĂŒrde tatsĂ€chlich etwas riskieren, seinen explosiven Überschwang zurĂŒcknehmen. Aber der erste Trailer zeigt dann doch eher, worum es in Star Trek nun geht:

Genau Explosionen sind wichtig, um die Handlung voranzutreiben. Star Trek-Beyond verfĂ€llt ins episodische Wiederholen. Der Kniff fĂŒr Episoden ist doch hĂ€ufig, dass ein sinnloses Artefakt die Hauptmotivation der Handlung ausmacht. Das lĂ€uft dann ungefĂ€hr so ab:

  • Der Gute findet ein Artefakt
  • Böser will Artefakt, um Welt zu zerstören
  • Der Gute findet das nicht gut
  • Beide kĂ€mpfen, Statisten sterben, Guter ist heroisch, alle sterben fast
  • Guter lĂ€sst mit gutmenschlicher Überheblichkeit den Bösen nicht sterben
  • Guter gewinnt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ja und leider ist dies auch die Handlung des neuen Star Trek, nur dass einem halt alles CGI-technisch um die Ohren fliegt. Aber nochmal zurĂŒck zur philosophischen Eigenheit des Anfangs. Kirk ist selbst verwundert ĂŒber die BanalitĂ€t eines Artefakts, das er einer minderen Kultur als Friedensangebot mitbringt. Alles geht schief, weil die primitiven Außerirdischen einfach nicht vernĂŒnftigen Diskurs halten wollen (das ist wohl eine Analogie zum gegenwĂ€rtigen Zustand der Politik) und so muss er aus der minderen Gefahr herausgebeamt werden. Nach dieser episodischen und wenig bombastischen Einleitung setzt er zu dem vorher erwĂ€hnten, verzweifelten Monolog ĂŒber die Sinnlosigkeit seiner AufklĂ€rungsmission an und sehnt sich nach Abenteuern. Was macht das Ganze so gut? Nun, in diesen anfĂ€nglichen Selbstzweifeln, der Zerworfenheit zwischen Abenteuer und Sinnlosigkeit erinnert der Film zunĂ€chst an Melvilles Meisterwerk „Moby Dick“.

Dort will sich Ismael von seiner Depression lösen. Er ist ein durchschnittlicher Mann, der dem Pathos von Erfolg auch in seiner Generation nicht gerecht werden kann. Ismael will sich stattdessen dem Meer anvertrauen, das Abenteuer finden. Er vernimmt den Ruf des Meeres in sich und versteht seine Existenz vor jenem ĂŒbermenschlichen Horizont als göttlicher Held. Der Sklave der Erde meint, er könnte Herrscher der Meere sein. „Moby Dick“ bleibt damit der ironische Erfolg ĂŒber die Abenteuerromane seiner Zeit, weil er urkomisch (was die meisten nicht bemerken) ĂŒber jene erfolglose Sucht nach GrĂ¶ĂŸe erzĂ€hlt. Es passt ebenso zu unserer Zeit, in der jede Biografie als die grĂ¶ĂŸte ihrer Zeit angepriesen werden muss, wobei unser einer hinter der aufgerĂŒsteten MediensphĂ€re in individueller Isolation wenig GlĂŒck findet. Was aber ist dieses „tiefe Denken“ Ismaels? Melville gibt Antwort. Ich meine, tut er das?

„Die Wahrheit, dass alles tiefe, ernsthafte Denken nur das unerschrockene Streben der Menschenseele ist, sich die hohe Freiheit ihrer Meere zu bewahren; dieweil die wildesten Winde zwischen Himmel und Erde sich verschworen haben, uns an der elenden Knechtschaft der KĂŒste scheitern zu lassen. http://www.jagenholz.de.rs/literatur/moby-dick, Zitat von Melville, S. 192

Die Komik des Romans wird dabei von vielen nicht erkannt. Dieses Zitat ist eben pathetisch inszeniert und demonstriert unsere hoffnungslose Eitelkeit. Ismael ist erbĂ€rmlich von der Sucht nach GrĂ¶ĂŸe getrieben, kann aber zugleich mit keiner Unbequemlichkeit der Natur umgehen. Ein paar Beispiele: Ismael ist arm. Bevor er also auf einem WalfĂ€nger anheuern kann, braucht er eine billige Bleibe fĂŒr die Nacht. Schon als er jedoch die erste Spilunke betritt, wird sein Pathos durch das Gebölke einer wilden Horde erschĂŒttert. Weinerlich wie er ist, kann er VulgaritĂ€t des Banalen nicht ertragen und entschließt sich, eine andere Unterkunft zu finden. Verzweifelt und nach erbĂ€rmlicher Reflexion kehrt er in die Spilunke zurĂŒck, weil er das unsĂ€gliche Wetter nicht ertragen kann. Nun aber muss er erfahren, dass er sich das Bett mit dem Harpunier teilen muss. Auch das wirft einiges an innerer Verzweiflung hervor. Ismael legt sich nach inneren WiderstĂ€nden ins Bett und wartet auf den Harpunier. Als dieser erscheint, traut er sich nicht etwas zu sagen und bleibt im Dunkeln liegen. Dieser vollkörpertĂ€towierte Wilde, versteht offensichtlich nichts von Abenteuern und Zivilisation. Ismael aber sagt nichts. Als der Wilde sich schließlich ĂŒber seinen Bettkumpanen ebenso erschreckt, kann Ismael glĂŒcklich sein, dass er nicht getötet wird. Am nĂ€chsten Morgen erwacht Ismael dann, umarmt vom Harpunier, und kann sich allerdings nicht aus seiner Umarmung befreien, geschweige denn den Versuch unternehmen. Er traut sich nicht etwas zu sagen. Stattdessen folgen wir einem weiteren, inneren Monolog, der sich mit der VulgaritĂ€t des Wilden auseinandersetzt. Ismael hĂ€tte  eben einfach ein hygienisches und heldenhaftes Abenteuer verdient. SpĂ€ter im Buch als Ismael spĂ€ter seinen Blick ĂŒber die Reiling wandern lĂ€sst, um einem der Captain zu berichten, kann er nur feststellen:

„grenzenlos, aber ĂŒber alle Maßen eintönig und abstoßend; nicht die kleinste Abwechslung – nichts als Wasser“. http://www.jagenholz.de.rs/literatur/moby-dick

Die Schifffahrt ist ein endlosen Unterfangen, ein Solaris(Stanislaw Lem) ohne Sinn, ein Krieg gegen sich selbst und so ist auch Captain Ahab zu verstehen:

„Man glaubt, ich sei von Sinnen; ich aber bin besessen, bin die außer sich geratene Besessenheit selber! Jene Raserei, die nur abflaut, um sich selbst zu begreifen.“http://www.jagenholz.de.rs/literatur/moby-dick

Ahab sucht den Feind im Meer. Die Sucht, einen weißen Wal zu erlegen, ist der Sinnlosigkeit seiner menschlichen Existenz einverleibt. Es ist die Sucht nach Krieg, der absolut ĂŒbersteigerte Kampf nach Bedeutung und der Krieg mit sich selbst. Letztlich wird er genau an diesem Krieg scheitern.

Thich Nath Hanh: Um den Krieg zu beenden, mĂŒssen wir erst den Krieg in uns selbst beenden.

Buddhisten sind Großmeister der Empathie. Die Action wird hier durch echtes GefĂŒhl ersetzt. Lesen schĂ€rft diesen Sinn als auch Lesen, das Eintauchen in fiktionale Charaktere, am besten unsere Intelligenz fördert (ein Artikel dazu von mir hier auf Bewusstes-Lernen).

Star Trek und der Sinn

Auch die Crew-Mitglieder der Enterprise sind dieser Sinnlosigkeit ausgeliefert und da ist es nur gut, das der Superschurke Krall (Idris Elba) die vereinsamten Existential-Helden vom Selbstmord bewahrt und sie wieder in altbewĂ€hrter Manier den Frieden durch mĂ€chtiges Geballer herstellen dĂŒrfen. Genau hier verliert der Film seine QualitĂ€t und auch die Logik kommt zeitweise abhanden. Meines Erachtens braucht ein Superschurke keine zurechtgezimmerten Intention, denn die machen in dem Film ohnehin nur eingeschrĂ€nkt Sinn. Terror folgt keiner Logik. WĂ€re es deshalb nicht geschickter und anspruchsvoller, das Böse in den Friedensstifter-Wahn der Förderation zu verpacken? Einzig das Faz-Feuilleton erkennt:

„was amerikanische Kriegswissenschaftler neuerdings „fourth generation warfare“ nennen, womit das momentan welterschĂŒtternde Durcheinander von gar nicht mehr erklĂ€rten Kriegen, tief ins Hinterland verlegten Schlachtfeldern und nur noch fakultativer Uniformierung der Kombattanten gemeint ist.“ http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/video-filmkritiken/kritik-zu-justin-lins-kinofilm-star-trek-beyond-14347985.html

FĂŒr Krall ist das Bestehen der Förderatio ein aggressiver Akt und dies ist das „Dilemma des Interventionshumanismus“ (http://www.nzz.ch/feuilleton/kino/star-trek-beyond-die-zukunft-jetzt-ld.106519). Die Sucht nach Abenteuer und Expansion mit den Menschenrechten im RĂŒcken rĂŒckt den anderen in den Rahmen des unmenschlichen Feindes, der keinerlei Anspruch als Chaos hat. Worum also geht es in Star Trek? Nun die Frage kann der Film nicht beantworten, aber hier findet sich eine Antwort:

„Das Spannende ist nun, dass der Feind hier ein diffuser, nicht zu greifender Komplex ist, ganz wie das wabernde Chaos aus Terror, Populismus und Irrsinn, in dem wir heute leben. Etwas, was kaum aufzuhalten ist und einen mit schleichender Ohnmacht erfĂŒllt.“ http://www.nzz.ch/feuilleton/kino/star-trek-beyond-die-zukunft-jetzt-ld.106519

Ich teile diese Auffassung nicht ganz, denn dafĂŒr bleibt der Superschurke Krall einfach zu blass, unbestimmt und platt. Er wird auf kriegerische Intentionen heruntergebrochen, versucht sich zu erklĂ€ren, aber wirklich nimmt man ihm seinen ganzen Kult nicht ab. Zumal sich einige Fragen zu seiner Biographie stellen, die einfach keinen Sinn ergeben, aber ich will hier keine Spoiler aufbringen. Star Trek zeigt sich damit als ein Kassenmagnet, der seine Investoren glĂŒcklich macht. Das Startsignal fĂŒr den vierten Teil ist mit dem kommerziellen Erfolg bereits gefallen. Nun gibt es viele Projekte im Sommer: Ich habe mich entschieden in Pittsburgh nun eine Filmnacht in meinem Haus zu veranstalten. Am Donnerstag werden wir den Klassiker „The Bycicle Thieves“ schauen. Außerdem kommt einiges an Filmen diesen Sommer. Als nĂ€chstes steht Jason Bourne auf dem Programm, den wir heute Abend im Kino sehen werden. Mit 120 Millionen Dollar Budget fragt, wohl Ă€hnlich aufgeblasen wie Star Trek. In Zukunft muss ich wohl noch die Balance zwischen Action-Kino und Anspruch finden, aber was erwartet man von Hollywood. Es bringt Geld und das ist Rechtfertigung genug fĂŒr die Studios.

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Norman Schultz, Pittsburgh, August

 

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