Was ist Philosophie – Das Denken des Denkens

Steve Pavlina wird ja als Überphilosoph der Selbststeigerung gefeiert, dabei sind seine Beiträge nur auf innerliches Glück (bekennender Atheismus) sowie materiellen Wohlstand bezogen. Pavlinas Egoismus der Selbststeigerung (obwohl er gemeinschaftliches Handeln zum eigenen, innerlichen Wohle anerkennt) kann damit nur einen Teil der Persönlichkeitssteigerung abdecken. Die Philosophie und vor allem ihre Geschichte ist zumindest seiner Ratgeberliteratur um Jahrtausende im Voraus.

In diesem Beitrag versuche ich daher kurz und knapp den Anspruch der Philosophie als Wissenschaft vom Selbst und seiner Erziehung zu umreißen. Es geht nun nicht darum Steve Pavlina herabzuwürdigen, wohl aber den Sinn der Selbststeigerung noch deutlicher ins Auge zu fassen. Dabei geht es natürlich auch um die Frage, was Philosophie ist, denn davon haben die meisten immer noch ein falsches Verständnis. Letztlich kann ich hierbei allerdings nur einen ersten Ausblick geben und verweise für weitere Selbststeigerungsphilosophien auf ein grandioses Buch des Philosophen Peter Sloterdijk.  Sloterdijks anthropologische Interpretation zeigen auf, dass Philosophie auch immer mit der Geschichte unserer Selbsterziehung zusammenhängt und macht die Selbststeigerung zum genuinen Thema der Philosophie. Diese Verknüpfung möchte ich andeuten, aber erstmal wieder zu der Frage: „Was ist Philosophie?“

Die Frage der Philosophie nach den Horizonten des Denkens (by Norman Schultz)

Die Frage der Philosophie nach den Horizonten des Denkens (by Norman Schultz)

Was ist die Philosophie?

Was ist Philosophie? Die meisten glauben, dass diese Disziplin zu dem leeren Geschwätz über die Eitelkeiten verschiedener Modedenker gehört. Viele glauben, die Philosophie sei dabei zumindest die Wissenschaft des Laberns. Dinge werden behauptet ohne empirische Befunde einzubeziehen und so hätten die alten Herren an ihren Stammtischen geglaubt, die Welt setze sich aus vier Elementen zusammen oder der Mensch sei die Krone der Schöpfung. Diese Behauptungen wären demnach durch die moderne Wissenschaft bereits widerlegt und in Zukunft werde sich auch der Rest philosophischer Weisheiten im Glanze empirischer Befunde widerlegen.  Wenige wissen allerdings, dass die Philosophie als erste Wissenschaft die Wissenschaft von der Wissenschaft ist und somit versucht, die Gründe unseres Denkens zu erforschen und überhaupt erst die wissenschaftliche Erkenntnis zu ermöglen. Die Philosophie versucht überhaupt erst die Wissenschaftlichkeit der Wissenschaft zu beweisen und in der Regel ist das so schwierig wie der Versuch, sich am eigenen Schopf aus dem Wasser zu ziehen, weswegen der Philosoph Albert alle diese philosophischen Programme als Opfer des sogenannten Münchhausentrilemmas anzeigte: Entweder unser Beweis ist ein Zirkelschluss, wir brechen unseren Beweis an irgendeiner Stelle ab und behaupten, ein bestimmtes Wissen sei evident oder wie gehen in einen unendlichen Regress.

Die Sache ist, dass die Philosophie versucht sich zu beweisen, ohne dabei hinaus in die Welt zu schauen, denn wie sollte dort ein Beweis für die Wahrheit unseres Wissens zu finden sein? Er wäre nur empirisch gewonnen und empirische Befunde gelten immer nur vorläufig. Dieser nicht empirische Anspruch rückt die Philosophie für den unreflektierten Empiriker in den Verdacht Esoterik zu sein.

Wenige wissen, dass gerade der Wissenschaftler wie auch der Esoteriker (die sich ja in der Regel in einer Frontstellung zu einander bewegen) beidseits philosophisch unbegründete Voraussetzungen machen, um ihre Thesen zu verkaufen. Ohne Reflexion auf die Gründe ihres Wissens gehen beide allerdings aus philosophischer Sicht oftmals äußerst naiv zu Werke. Beide beanspruchen einen ausgezeichneten Zugang zum Wissen zu haben, ohne jedoch vollends auf den Beweis ihres Wissens überhaupt zu reflektieren. Die Philosophie – und das ist ihr erster Anspruch – will jedoch unser Wissen transparent machen und aufzeigen: Sieh her, dies ist das Erste (das erste Prinzip) und zwar aus Gründen und nicht, weil wir einfach nur labern. Ob dies möglich ist, ist wiederum eine Aufgabe der Philosophie. Bei dem Philosophen Hegel ist diese Wissenschaft aufgrund ihrer langen Geschichte schließlich der Fortgang der Bildung im Modus der Verzweiflung. Wie also hat die Philosophie sich in die Verzweiflung gestürzt?

Der historische Ursprung der Philosophie?

Nun, ich beabsichtige nicht in die gegenwärtige Debatte um die Leistungen der Philosophie mit diesem Beitrag einzusteigen, da dies zu komplex für einen Beitrag ist, will aber einen kleinen Anstoß zu Betrachtung der Philosophie in ihrer Verzweiflung als Selbsterziehungswissenschaft geben.

Die Philosophie ist eine alte Disziplin. Selbst muss sie so alt sein, wie das Denken in den Bahnen der Vernunft selbst. Probleme wurden zwar schon seit Anbeginn der Evolution von verschiedenen Spezies durch Sinn und Verstand gelöst, doch erst mit der Philosophie konfrontierte der Mensch sich mit seinem eigenen Wesen und geriet in die Verstrebungen und Verstrickungen der Vernunft. Er trat vor den inneren Spiegel der Selbsterkenntnis, sein Verstand richtete sich auf den Verstand und sah die äußere Form seines Denkens, nicht aber die inneren Motive und Beweggründe seiner angestoßenen und rollenden Gedanken. Das Denken als Problemlösen wurde damit verlassen und geriet auf die schiefe Ebene, die in den ewigen Abgrund des Denkens des Denken zu fallen drohte.

Wie kam es dazu? Parallel entfaltete sich mit dem Denken und der neu gewonenn Sprache die Erzählung von der Welt. Menschen waren Schwätzer (nicht Philosophen). Gerüchte, Mythen und Sagen wurden mit der Sprache geboren und die Menschen machten in der Sprache Fantasien übertragbar. Doch mit der Erkenntnis, dass eine Geschichte nicht der Wahrheit entsprechen müsse, kam auch die Frage nach dieser Wahrheit in der Sprache auf und damit differenzierte sich das Geschoss des Denkens bis in unsere Gegenwart hinein. Was ist Wahrheit? Dies ist die ursprünglichste Frage der Philosophie. Wer kennt den Spruch nicht, den ich stets stolz als Kind in andere Poesiealben verewigen musste:

Denke nie gedacht zu haben, denn das Denken der Gedanken, ist ein gedankenloses Denken, wenn du aber denkst du denkst, denkst du nur du denkst, aber denken, tust du nie.

Ist das Denken, das sich selbst zum Gegenstand hat leer? Das Denken hatte nicht mehr die Probleme der Welt allein zum Gegenstand, sondern begann um das Kopfzerbrechen zu Kreisen, der Frage danach, was es selbst über sich und die Welt wissen könne. Dies ist die Geschichte der Verzweiflung, die der Philosoph Hegel im Sinn hatte, denn sie beginnt in jedem Bewusstsein erneut und die Frage ist, ob wir im Grübeln und Kreisen des Denkens ihren Einheitsort finden:

Beständig ziehen Kreise

in jedes Denken ein

und unentrinnbar leise

es zeigt sich nur dein Sein

(Hermann Hesse)

Von der Erziehung und der Philosophie

Mit der Frage nach Denken und Welt war der Anfang der Philosophie in einem Menschen noch nicht der Anfang der Philosophie in der Gesellschaft oder gar der Menschheit und genealogisch spekuliere ich nur. Dennoch ist anzunehmen, dass sich die Philosophie in die Geschichten vieler Individuen einbrennen musste, um dann die Argumente einer Entwicklung zu übergeben, die über das Leben des Einzelnen hinausreichten. Die Tradition hat uns mehr übergeben als nur sinnloses Geschwafel, sondern Wissenschaft.

Meine Geschichte der Philosophie, die ich hier aufzeige, besteht daher nicht in Anlehnung an die technische Entwicklung, sondern fasst das tiefere Streben des Menschen, nicht nach Produktivität, sondern noch einer Entbergung des eigentlichen Daseinshorizontes. Unsere Geschichte ist damit nicht die Frage, wie Menschen Bequemlichkeitstechniken ihren Nachfahren lehrten. Es geht bei unserer eigentlichen Geschichte der Menschheit nicht um egoistische Gene, die sich in uns weitergeben, um einen Fortbestand der Menschheit zu gewährleisten. Unsere Fortpflanzung und Gene mögen materiell sein. Darüber aber, dass sie dies sind, spannen sich Horizonte, die diese Gene selbst ins Auge fassen, wenn sie am Denken in uns partizipieren und über sich selbst hinaus verweisen. Ob diese Gedanken des Denkens nun materiell sind oder nicht, im Denken selbst sind sie für den Denkenden real jenseits von ideal oder dem Gedanken des Materiellen. Und gerade dieser Mittelpunkt in uns, das Denken als erster Bezugspunkt ist daher der Mittelpunkt aller Wissenschaft und nicht die Welt. Die Erforschung der Selbsthorizonte heißt dann Idealismus, was nicht bedeutet, dass die Welt nicht existiert, sondern nur, dass wir keinen anderen Zugang zur Welt als durch uns selbst haben.

Menschen, insofern sie denken, waren daher seither weniger mit den Lösungen von Problemen beschäftigt als mit den Problemen des Selbstbewusstseins in Bezug auf die Welt, die sich nicht lösen ließen und die Philosophie ist der Sammlungsort all dieser Probleme und versucht zu unterscheiden, welche Probleme noch lösbar sein könnten und welche als unlösbar gelten müssen. Dieser Sammlungsort sollte auch der Anspruch jeder Selbststeigerung und Selbsterziehung sein, sich dem Unlösbaren als Unlösbaren auf die Spur zu begeben und die Trennlinien zwischen dem Lösbaren und Unlösbaren in sich selbst zu schärfen. Wenn nun aber nur das Denken des Denkens der eigentliche Horizont unserer Entwicklung ist, dann ist die Persönlichkeitsphilosophie (oder bei Heidegger die Daseinsphilosophie) erster Grund allen Wissens und Strebens überhaupt.

Diese Trennlinien gelangen selten  und so begannen die Menschen sich in ihrer Entwicklung mit der Religion über die Horizonte ihrer eigenen Realität in ein Jenseits zu erziehen und die Esoterik oder den blinden Wissenschaftsglauben zu erfinden. Dogmatische Lehren entstanden auf beiden Seiten. Weil „Gott“ als letzter Horizont in Verzweiflung definiert wurde, erkannten Menschen niemals die Bedeutung von Gott und so auch nicht die Wissenschaftler, die sich nicht mit Philosophie beschäftigten: Ãœberhaupt allein die verschiedenen Gründe des Denkens als einende Idee zu verstehen. Da die meisten Menschen niemals nach dem einheitlichen Bestimmungsort aller Gedanken zu fragen, so begannen die Menschen auch nicht zu verstehen, dass Gott nur der Bezugspunkt war, um an sich selbst zu wachsen.

Reflexionen zur Philosophie der Erziehung

Die Geschichte der Philosophie ist daher die Geschichte der Selbsterziehung im Unwissen. Erziehung bedeutet daher sich klar zu werden, was wir nicht wissen und nicht können und noch können könnten, in jedem Fall aber ist Erziehung gekonnte Selbsterziehung, die wir letztlich selbst übernehmen und nicht von anderen gelehrt bekommen, die andererseits aber auch kein anderes Ziel hat, als die Verzweiflung vielleicht, wenn es möglich ist, zu beseitigen. Es bleibt, was der Philosoph Hegel als Weg der Verzweiflung benannte: Die Geschichte der Bildung des Bewusstseins zum Selbstbewusstsein as the pathway of despair.

Einen wesentlichen Beitrag zu diesen Aufstiegen des Selbst zu seiner eigenen Unmöglichkeit beschreibt der Philosoph Peter Sloterdijk in seinem Buch „Du musst dein Leben ändern“

Nun steht die Philosophie von Peter Sloterdijk immer wieder in der Kritik, da er einst den Kampf mit dem königlichen Herrscher der kritischen Philosophie, Jürgen Habermas, suchte.

(Eine Darstellung findet sich auf meinem Blog Fahrenheit. Diese Schrift mag interessant sein für Philosophen, die die gegenwärtige Frontstellung zweier philosophischer Systeme verstehen wollen. Für mein philosophisches Weblog steht aber eher die Reflexion an sich und nicht die Reflexion über historische Ereignisse im Mittelpunkt. Daher sei jeder, der sich mit der härteren Gangart der Philosophie auseinandersetzen möchte, dorthin verwiesen.)

Dennoch steht ein tieferes Verständnis für die Vorschläge Sloterdijks seitens der Philosophie noch aus. Die analytischen Kampfphilosophen tun sich schwer, die gegnerischen Gedanken mit Geduld zu antizipieren. Dies hängt vor allem mit einer gewöhnlichen, akademischen Arroganz gegenüber den Auseinandersetzungen mit der Welt zusammen. Ich empfehle daher den Philosophen Peter Sloterdijk jedem, der sich kreativ mit Philosophie auseinandersetzen möchte.

In diesem Buch, das an die Philosophie der Persönlichkeitsentwicklung anknüpft, diese aber auf galaktisch entfernten Niveau reflektiert, tun sich die Vernunftgründe einer Selbststeigerung auf. Diese Philosophie lohnt sich zu studieren, denn Persönlichkeitsentwicklung in ihrem höchsten Niveau ist Philosophie.

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5 Antworten auf Was ist Philosophie – Das Denken des Denkens

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  2. Brunobraun sagt:

    Wenn man einen genau definierten Bereich in einem unendlichen System anwendet, um es zu erklären, dann müsste nach deiner Definition die Philosopie unter einer höheren Wissenschaft stehen, die das unendliche erfassen kann. Die Logik gebietet dir das Wahrscheinlichste anzunehmen, dieser Fehler liegt nicht bei mir vor. Die Bedeutung der Worte sind vollkommen egal, Es ist Leben das sich durch sich selbst erschafft. Ihm kann nur Geist vorausgegangen sein der das unendliche erfassen konnte.

    • Brunobraun sagt:

      Und hier ist der Ausgangspunkt aller Berechnungen :-) Und trotz der Tatsache das die glorreiche Menschheit vor 300 Jahren sich dem Schubladendenken entledigt hat, es ist ein fließender Prozess, auf dem alles beruht uns sich in allem begründet. Und sich in allem zeigt, und ja du hast Recht das es keine Wissenschaft ist, es ist das Wissen selbst. :-D

      • Brunobraun sagt:

        Erster !

        • Anonymous sagt:

          Ein Hegelianer also der den ersten Anfang macht. Das Unendliche muss gleichwohl auf das Endliche und das Endliche zurück auf das Unendliche gebracht werden. Das Fließen hat keinen anderen Anfang als die vermittelte Unmittelbarkeit ;)

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