Iron Man 3, warum es in der Zukunft keine Kampfanzüge, sondern Drohnen gibt

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Mann aus Blech - harte Schale mit instabilem Kern, By Gage Skidmore from Peoria, CC-BY-SA-2.0, via Wikimedia Commons

Eigentlich hat sich die Zukunftsvision vom edlen Ritter in mechanischer Superrüstung überlebt. Die Gegenwart zeigt uns bereits, dass moderne Kriege wohl eher Drohnen fechten werden, als dass Menschen sich mit Exoskeletten durch tödliche Kriegsgebiete wagen. Star Craft, World of Warcraft oder Battlefield werden dabei in dieser Weise Realität und die Koreaner als führende Gaming-Nation wohl die führende Drohnennation. Das neue Battlefield setzt hier Maßstäbe im Hinblick auf Realitätstreue. So ist es wohl nur eine Frage der Zeit bis Gaming-Industrie und Drohnenindustrie kostengünstig verschmelzen. Mein Mitbewohner, Graduate Student in Carnegie Mellon, designed daher auch schon regelmäßig Spiele für das Militär.

Extrapolieren wir den Trend zur Drohne, so wird wohl auch der Mars eher von ferngesteuerten Maschinen als von Menschen in eisernen Käfigen besiedelt werden. In Zukunft geht es weniger darum menschliches Milieu herzustellen, als Technik zu errichten, die sich weitgehend der menschlichen Gebeine entledigt. Während Technik also den Anteil an menschlichen Elementen verringert und sich damit zur externen Naturkraft wandelt, sind Menschen dabei ihr Fleisch durch Technik zu ersetzen. Schauen wir uns die überindividualisierte Mode des Ganzkörpertatoos an, blicken wir auf den generellen Trend zur abstrusen Ohrläppchenverformung, picken wir uns hier die Extreme heraus, so mag es nur eine Frage der Zeit sein bis Menschen nicht mehr ihre Gebeine als Idealform des Körpers erachten. Was der Bodybuilder noch als Mutation in „natürlichen“ Grenzen oder das Busenwunder im Rahmen der „‚Ästhetik“ betreibt, führt schließlich zu einer Transformation in das gegenständlich Äußere. Vielleicht werden Menschen in Zukunft Roboter, Autos, Giganten oder Häuser sein wollen und nicht nur Barbies oder Zombies wie Michael Jackson. Nun Formen dieser Extrapolation werden wir erleben, denn der Mensch besitzt eine offene Natur, die sich durch Arbeit an sich selbst auszeichnet. Die Evolution hat mit dem Mechanismus über sich selbst zu lernen ein Bewusstsein bekommen und der Mensch verabschiedet sich von einer Technik, die die Selbstständigkeit als Quelle der Effizienz entdeckt.

Iron Man 3

By Elfilosofico, CC-BY-SA-3.0 via Wikimedia Commons

Doch was hat dies mit Iron Man zu tun? Nun Iron Man ist eine Zukunftsikone, die wohl in dieser Weise eher nicht Realität werden wird. Der Film zeigt bereits, wie Tony Stark sich eine ganze Armee von computergesteuerten Iron Männern erschafft, die als Drohnen gegen genetische modifizierte Übermenschen antreten. Die Gefahr ist gebannt, wenn der Krieg von zu Hause aus an der heimischen Konsole gespielt wird. Damit nimmt der Film das eigentliche Ende seiner Zukunftsvision vor weg. Iron Man kann mit dem wirklichen Fortschritt der Technik nicht mehr mithalten. Der Anzug wirkt daher eher wie ein Sarg und Menschen gehören nicht mehr in Kriege.

Kriege zielen daher zunehmend auf die Ausschaltung der gegnerischen Waffen als auf die vollständige Eliminierung des feindlichen Lebensmilieus. Atombomben sind daher nur noch Suizidwaffen. Die Zukunft sei ein Krieg der Maschinen.

Doch Hollywood vollzieht diese Dekonstruktion nicht wissentlich, es ist eher ein Faux Pas, dass sich tiefere Reflexion einstellt. Während also Iron Man 3 überall als intelligenzstimulierendes Actionkino angepriesen wird, so habe ich genau hier meine Zweifel. Auch wenn ich durchaus die Unterhaltung genießen kann, die Rekonstruktion des tiefgründigen Tony Starks geht deutlich schief. Iron Man 3 ist Spaß im Sinne unserer Machtphantasien, hat aber mit einer intelligenten Verarbeitung der Zukunft des Krieges wenig zu tun.

Woran leidet Tony Stark in Teil 3 aber? Nun er leidet an der Entfremdung des Menschen in seiner Technik, die als zweite Natur wie eine fremdartige Welle diesen Menschen umringt. Der Schutzwall aus Technik hat uns umzingelt und zugleich ist es eine zweite Natur, die den zunehmenden Kontrollverlust andeutet. Der Roboter ist hier der Übermensch, der aus Perspektive des Menschen den Menschen nur verachten kann. Der Mensch umringt sich mit Technik, um sich vom Menschen zu schützen und so ist der Roboter Ausdruck unserer Insuffizienz. Die letzte Kränkung des Menschen besteht daher im Vergleich zu unserer Schöpfung, die funktionale Einheit glänzenden Metalls, das besser ist als wir. Die menschliche Psyche hinter der genialen Erfindung als Resultat des gesamtmenschlichen Schaffens ist der Haufen Schrott, den die evolutionäre Geschichte hinterlässt. Der Mensch als Homo Faber, als Mechaniker, banalisiert sich selbst. Kurz Iron Man bricht den Menschen in sich.

Mein Problem mit dem Film

Tony Stark, der Mann aus Blech, Iron Man, ist also zurückkehrt und zerbricht an seiner Minderwertigkeit, denn der Blechmann mit der harten Schale sucht ein Herz aus Fleisch und Blut, den weichen Kern. Nachdem Iron Man zuvor mit seinen Superheldenbuddies, den Avengers, die Erde von Außerirdischen Invasoren befreite (die im Übrigen auch noch nicht so recht etwas von Drohnen gehört haben, sondern Außerirdische aus außerirdischem Fleisch schicken), verbleibt Toni, der nun keine Superkräfte hat und schon überhaupt kein Gott wie Thor ist, mit  posttraumatischen Belastungsstörung zurück. Das Problem am Film: Dies erscheint nur wenig glaubhaft, denn wenn die Depression aus kurzen Panikattacken und einer Traumsequenz vom dunklen Loch einer anderen Dimension besteht, dann stellt ein jeder von uns fest, dass er schon durch tiefere Krisen gegangen ist und das, obwohl wir noch nicht die Welt gerettet haben. Dabei versprach der Trailer einen tiefgründigen Film, der das Abenteuer Iron Man tatsächlich zerstören würde.

Der Film ist leider nicht das vielfach versprochene Meisterwerk der Dekonstruktion. Hollywood vermasselt das ja regelmäßig und der Trailer ist wie so oft nur die Vision von einem guten Film. So wie Spider-Man niemals so wirklich böse war und „The Dark Knight“ alias Batman schon eher die Parodie von einer gebrochener Seele verkörperte, so ist auch Tony Stark, nicht mehr als die Phantasie eines Hobbypsychologen. Das heißt: Der Mann hat’s schwer, warum auch immer, aber wenn er sich zusammenreißt, geht das schon!

Anstatt also wirklich Dekonstruktion seines Stars zu betreiben, wie es noch bei Watchmen gelang, so opfert Hollywood den Ansatz zur kulturellen Selbstbefriedigung einer menschlichen Gattung. Die Handlung ist daher eigentlich nur eine mit Special-Effects aufgepeppte Bud-Spencer-Haudrauf-Action und auch so oberflächlich sich Hollywood von der Philosophie verabschiedet, so oberflächlich gerät auch jedes Detail hinsichtlich der Charaktere und der Geschichte. Wir zählen diese mal auf:

1. Eine posttraumatische Belastungsstörung ist eine schwere psychische Störung, die in der Regel kein kleines Klugscheißerkind nach zwei halbherzigen Gesprächen zerschlägt. Ein kleiner Junge wird als vielversprechender Mechaniker uns Zuschauern präsentiert, aber er ist dann wohl eher ein Erbauungspsychologe mit Superkräften. Nun, es ist nicht zuviel verraten, wenn wir sagen, dass Tony Stark sich mittels Nachwuchsfreud erholt (wie einst Batman im allerübelsten Gefängnis der Welt, wo die Insassen aussahen wie wohlgenährte Schweine im Stall, sich von einem Wirbelsäulenbruch durch drei Liegestütze heilte und seine Angst schließlich besiegte, indem er sie, so wie es jeder Vater seinem Sohn erklärt, akzeptierte). Nun die Beziehung zu einem kleinen Jungen ist schlicht unglaubwürdig.

2. Die Darstellung der posttraumatischen Belastungsstörung gerät schlichtweg zu kurz. In Hollywood glaubt man, dass einmal Hyperventilieren plus Alptraumsequenz auch dem Zuschauer den Angstschweiß auf der Stirn gefrieren lassen. In den Comics thematisierte man noch Starks Alkoholsucht, dafür ist aber keine Zeit, wenn Robert Downey Jr. als die komödiantische Symbiose aus Bud Spencer und Terence Hill, die Welt retten muss. Lösbar wäre dies sicherlich gewesen, wenn die Geschichte über mehrere Monate hinweg erzählt worden wäre.

3. Ebenso irrelevant wie die psychische Störung sind daher auch die Nebencharaktere zu denen Stark Bindungen aufbaut wie ich zu meinen Topfpflanzen. Nicht dass wir uns nur über die ewigmatte Paltrow als Pepper langweilen, die dazu moralisch verurteilend wie Marge Simpson auf der Stelle tritt, sondern gar der Bösewicht ist an Banalität und Irrationalität kaum zu überbieten. Mal zur Erklärung: Ein Bösewicht wird nicht dadurch böse, dass er jeden dahergelaufenen Hundewelpen von der Straße kickt oder Meerschweinchen anzündet. Ein Bösewicht hat ein klares Ziel, dem er alle anderen, menschlichen Rechte und Werte dank Ideologie unterordnet. Das kann unter Umständen auch sexuelle Befriedigung sein. Meinetwegen kann das eindeutig Böse auch verwischen und er kann ein Mittelding zwischen Gut und Böse sein. Eigentlich ist mir das gleich, aber es braucht einen Bösewicht, der irgendwie verstehbar ist und nicht einfach nur mal eben auftritt, Geld ohne Ende verschleudert, aus unerfindlichen Gründen Stark nicht tötet, wenn er die Gelegenheit dazu hat und generell irgendwie gänzlich unbedeutend für den Plott wäre, müsste er nicht die Actionraketen für den finalen Kampf zünden. Da hätte man sich die Story auch gleich sparen können und den Film im Stile eines Boxkampfes aufziehen können.

4. Was bei Avengers noch funktionierte, war die Dynamik, die sich zwischen den Hauptcharakteren entfaltete. Im Gegensatz zu Iron Man 3 hatte Stark nämlich Ernst zunehmende Egobolzen an seiner Seite sowie einen halbwegs charismatischen Gegenspieler. Einziges Highlight in diesem Film ist daher tatsächlich Robert Downey Jr. als Iron Man, der mit seinem Humor aber auch allein wie ein Mario Bart zwei Stunden auf der Bühne rumtänzelt und man sich fragt, ob er denn wirklich eine Freundin hat beziehungsweise wirklich an einer postraumatischen Belastungsstörung leidet .

5. Daher nochmal: Pepper Potts als gewohnt blasse Gwyneth Paltrow (oder umgekehrt?) hat zwar Querelen mit dem Mann ihrer nicht nachvollziehbaren Träume, allerdings sehe ich keine Beziehung, die in dem Film glaubhaft verkörpert werden würde. Pepper Potts ist nicht mal als Trophy-Weibchen ernst zu nehmen. Es ist gänzlich unklar, wann die beiden das letzte mal Sex hatten.

Seit dem grandios unterschätzten Superheldenabgesang „Watchmen“ wissen wir, dass Männer in Rüstung eigentlich eher mit inneren Ängsten und Minderwertigkeitskomplexen kämpfen (Anmerkung: Jaja, wir wissen’s der Comic war tausend mal besser, wobei ich fragen muss, welchen anderen Superheldenfilm dieses Formats es denn gibt?) Nun Tony Stark soll das auch darstellen, aber kann als Egomane einfach nicht in die Selbstverzweiflung übergehen. Die Zweideutigkeit des Charakters ist gänzlich misslungen, weil Hollywood ihm einfach kein Umfeld dafür einräumte. Um aber den Charakter Stark’s dann doch von seinen vierzig Fetisch-anzügen zu trennen, muss Stark schließlich in einen Baumarkt und wie McGyver Spielzeug basteln, mit dem er eine selten dämliche Security Armee ausschaltet. Faith in Stark restored.

Hollywood sollte sich wieder mehr trauen. In den 70er Jahren etablierte das amerikanische Kind in der Krise den Antihelden. Auch eine vollkommen zerborstene Existenz nimmt uns noch mit und seit Sartre’s Analysen im Ekel wissen wir, dass die Geschichte von ihrem Ende her erzählt wird. Wir sehen einen Mann, die Straße hinaufgehen und gleich, ob er gut oder böse ist, wir wissen: Das dort, das ist der Held. Der Typ wird nicht einfach sterben, denn sonst wäre ja alles vorbei und der Typ wird einfach mal ein Abenteuer erleben, deswegen wäre es schön, wenn der Typ echt ist und in einem echten Umfeld lebt, indem es tatsächliche moralische Dilemma gibt.

,Brightly lit STS-135 on launch pad 39aNun ungeachtet dieser noch unspezifischen Kritik muss ich anmerken, dass sich die generellen Kritiken überschlagen. Ein gutes Marketing lässt den durchschnittlichen Film wie ein Meisterwerk der Gegenwart erscheinen. Derweil versumpfen Filme wie „Watchmen“ in der Kritik, weil sie angeblich nicht dem Comic entsprechen. Ich spreche nicht dafür, dass ein Film mehr Philosophie enthalten müsste, diese kommt von allein, wenn die Charaktere nicht so plump gezeichnet wären und mit so unverständlichen Hindernissen hantieren würden. Weil der Film aber tatsächlich spannend ist, kann ich diesem im Vergleich zu anderen Filmen eine 8 von 10 geben, was ein B wäre und meine Studenten wieder zum Direktor treiben würde, weil ich angeblich zu streng bewerten würde.

Ich hoffe der Artikel hat ein paar Perspektiven auf den Film erweitert, sicherlich könnte ich es mehr ausarbeiten. Wenn es euch dennoch gefällt dann added mich doch bitte bei Google+, abonniert mich per E-mail oder tretet der Facebookgruppe oben rechts bei. Ein RSS-Feed  ist natürlich auch vorhanden sowie eine “gewaltig interessante” Pinterestwall zum Thema Technik sowie zum Thema Science-Fiction. Ansonsten könnt ihr mich gerne anschreiben, wenn ihr mal gemeinsame Projekte im Sinn habt.

Norman Schultz

 

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