Es gibt Dinge, die nennen wir „Zufall“ und in der Regel drückt dieses Wort eine Gegebenheit aus, die wir nicht erklären können oder zumindest noch nicht erklären können. Wir meinen damit aber zwei Sachverhalte. Zum Einen meinen wir, wenn etwas auch hätte anders passieren können und wir unter keinen Umständen eine wissenschaftliche Vorhersage des Ereignisses hätten treffen können. Zum Anderen meinen wir, dass wir etwas noch nicht erklären können, da wir annehmen, dass es für alles einen rationalen Grund geben muss, sei es ein physischer Grund (die Welt) oder ein hyperphysischer Grund (Gott). Vor diesem doch philosophischen Grund stehen auch die Aphoristiker Schlange, nur um uns zu erklären, dass der Zufall ja eigentlich eine noch nicht erkannte Notwendigkeit sei.
Aphorismen zum Zufall und zur Notwendigkeit
So formuliert Marie von Ebner-Eschenbach, eine österreichische Schriftstellerin Zufall sei, „die in Schleier gehüllte Notwendigkeit.“ Ambrose Bierce weiß es noch genauer und ergänzt, Zufall sei „ein unvermeidliches Ereignis, das auf unveränderlichen Naturgesetzen beruht“. Und auch ein Philosoph wie Voltaire meldet sich zu Wort und schreibt: „Zufall ist ein Wort ohne Sinn; nichts kann ohne Ursache existieren.“ Eines haben alle Aphorismen gemeinsam: Sie sind alle mehr oder weniger falsch. Gut, das ist etwas hart formuliert, doch alle behaupten, dass der Zufall immer durch eine wie auch immer geartete Naturnotwendigkeit erklärbar wäre. Das philosophische Problem aber an der Sache ist doch: Woher weiß ich, dass ein mir begegnendes Phänomen tatsächlich von einer kausalen Ursache abgeleitet werden kann, also, dass Zufall tatsächlich einen Grund hat?
Das Wissen über den Zufall (ein Problem der Philosophie)
Nun ich weiß, dass etwas kein Zufall ist, wenn ich die Ursache kenne. Wenn ich aber die Ursache kenne, dann macht es keinen Sinn mehr überhaupt von Zufall zu sprechen, denn dann ist es Notwendigkeit. Ich kann daher nicht entscheiden, ob die Phänomene, die ich als zufällig einschätze, tatsächlich zufällig sind oder aber einer höheren Notwendigkeit folgten. Alle unsere philosophischen Aphoristiker hier ignorieren also, dass sie angesichts einer anscheinend unerschöpflichen Welt in Verlegenheit geraten sind und nun meinen sie erkennen es noch nicht, aber es sei dennoch Notwendigkeit. Statt diese Verlegenheit einzugestehen, wollen sie die Welt nach nur einem Gesetz denken, nämlich diesem: Alles was ist, hat einen notwendigen und hinreichenden Grund. Der berühmte Satz vom Grunde der Philosophie also, der uns als vierter Grundsatz der Logik über den Weg läuft. Im Gegensatz zu den ersten drei Sätzen der Logik hat dieser einen besonderen Status. Der Satz vom Grunde ist nämlich ein halb logischer und halb empirischer Satz. Oh ja, während wir die ersten 3 Sätze der Logik aus einem hermetisch gegen die Welt verschlossenen Hirn heraus denken können und so zum Beispiel alle Sätze der Mathematik, ohne die Welt zu kennen, in diesem Hirn, bewaffnet mit den 3 logischen Sätzen, zu Stande bringen können, so denken wir im Gegensatz mit dem Satz vom Grunde auch immer schon die Welt. Und mehr noch, wir brauchen diesen Satz um Welt überhaupt zu denken und vorzustellen. Achja ich weiß, das mag für den ein oder anderen jetzt philosophisch zu kompliziert werden, aber einer stelle sich doch eine Welt vor, die eben nicht nach dem Satz vom Grunde geschehe, also eine Welt, in der nichts Ursache von etwas wäre, aber alles dennoch irgendwie ist.
Die Grenzen der Ordnung und die philosophische Vorstellung vom Chaos
Eine Welt ohne Gründe also: Wir müssten uns ein Chaos denken, was also keiner grundhaften Ordnung entsprechen dürfte. Keine Unordnung würde diese Szenerie zum Ausdruck bringen, denn die Unordnung der weltlichen Dinge ist auch eine Ordnung. Alles Seiende ist schon ein Zuviel, wenn Chaos vorgestellt werden soll. Versuchen Sie doch lieber Leser, sich drei Farben vorzulegen und diese so chaotisch wie möglich anzuordnen. Und jedes Kind wird sofort sagen, dass sie aber ein schönes Muster produziert hätten. Die obige Darstellung versucht deswegen, mit der Vorstellung einer Nichtsblase zu operieren, aber auch da kommt der Verstand an seine Grenzen und muss, um den Gegenstand überhaupt behaupten zu können, wieder seine Ordnungsmuskeln spielen lassen: Das chaotische Nichts ist doch so noch gebannt in einer Kugel, die über einer Welt der Verwüstung schwebt. Nichts ist noch weniger als der kleinste Gedanke vom Nichts, den wir denken können. Verstand, Vorstellung, alles zuviel. Selbst die Philosophie kann hier nicht weiterhelfen.
Die Jahreszeiten, die Chronos mit dem Glück ihrer Geburt für seine gestiftete Ordnung huldigen
Der philosophische Blick auf das Chaos
Dennoch sehen wir: Chaos ist dem Verstand doch im Mindesten Nichts und aus diesem Nichts-Chaos, Urknall sei dank, entsteht so etwas wie Ordnung. Diese Ordnung aber lässt als unhintergehbares Prinzip keine noch so philosophische Vorstellungen von einem Davor vom Chaos zu. Wir leben im goldenen Zeitalter der Ordnung, wo wir mit dem Verstand alle Zufälle zu ihrer Notwendigkeit bringen wollen und müssen, wenn wir die Welt nur begreifen wollen und nicht selbst in Phantasmen leben wollen. Doch wieso haben wir dann doch eine Idee vom Chaos? Schauen wir mit dem Blick der Philosophie in die Mythologie. Das Chaos verwirkte sich, um doch irgendwie zu sein und brachte Chronos hervor, der fortan den Dingen ihren „chrono-logischen“ Lauf gab (Bild oben von Bartolomeo Altomonte cc_by_sa 2.0 Quelle: wikicommons). Diese Reste des Chaos, welches nun erst in der Ordnung ist, sind noch in uns, wenn wir denn philosophisch hinter die Ordnung der Dinge zurückfragen. Was war denn vor der Erde? Was war vor dem Sonnensystem? Was war vor der Galaxis? Was war vor dem Universum? Was war vor der Zeit? Was war vor dem Urknall? Der Verstand und sein „chronisches“ Denken schickt uns stets einen Grund weiter in den Ab-Grund der Unendlichkeit. Ohne Beginn befinden wir uns mit einem Schlage in den unendlichen Weiten einer Ordnung. Doch dann fragen wir: Was war vor der Ordnung? Und auch, wenn wir keine Antwort haben, so ahnen wir, dass es selbst nicht Ordnung war. Die Ordnung kann sich als Prinzip nicht selbst ordnen, begründen. Und so begreifen wir die Welt, wir tragen Sie mit unserer Logik, können aber den Grund der Logik selbst nicht in dieser Logik sehen. Und nun wissen wir nicht mehr: Denkt denn nur unser Verstand die Erscheinungen der Welt als notwendig aneinander gereiht und sind sie tatsächlich einfach nur Zufall oder sind die Erscheinungen der Welt wirklich notwendig? Da wir aber die Erscheinungen, so wie wir sie denken, all zu oft unkritisch als wirklich annehmen, stoßen sich nur wenige Philosophen an dieser Frage. Ich will es nochmal so formulieren: Es könnte doch auch sein, dass alle als notwendig-gedachten Phänomene in Wirklichkeit nur die Abfolge des Zufalls wären und so kommen wir zu dem umgekehrten Ergebnis, nämlich nicht „Der Zufall ist die in Schleier gehüllte Notwendigkeit“, sondern „Die Notwendigkeit ist der in Schleier gehüllte Zufall.“
Wie ist nun zu entscheiden zwischen Zufall und Notwendigkeit? Am konkreten Objekt können wir es nicht beweisen, so zeigte aber doch zum Beispiel der Philosoph Kant, dass es notwendige Bedingungen der Möglichkeit von Gegenständen geben muss, damit wir überhaupt Erkenntnisse haben können. Dieses aber, wie auch den Aspekt des Zufalls werde ich an anderer Stelle weiterbehandeln