Die Stellung der Philosophie gegen Prothetisierung und genetisches Entgrenzen der Transhumanisten

In der Philosophie wird gegen die Phantasien der Prothetisierung und dem Entgrenzen des Körpers natürlich regelmäßig Stellung bezogen:

„Ob wir uns als verantwortliche Autoren einer eigenen Lebensgeschichte betrachten und uns gegenseitig als »ebenbürtige« Personen achten können, hängt in gewisser Weise auch davon ab, wie wir uns anthropologisch als Gattungswesen verstehen. Können wir die genetische Selbsttransformation der Gattung als Weg zur Steigerung der Autonomie des Einzelnen betrachten – oder werden wir auf diesem Wege das normative Selbstverständnis von Personen, die ihr eigenes Leben führen und sich gegenseitig die gleiche Achtung entgegenbringen, unterminieren?“ (Habermas. Die Zukunft der menschlichen Natur 2001:55)

Habermas verweist hiermit auf die Gefahren der Gentechnik, nämlich auf eine Unterminierung unseres Gattungsverständnisses. Im Weiteren versucht er dieses Gattungsverständnis aus der Art, wie wir Freiheit und Autonomie immer schon in der Kommunikationssituation voraussetzen, abzugewinnen. Genetische Manipulation würde dann nach Habermas den Ungeborenen, das Recht auf eine Zufälligkeit der eigenen Lebensbedingungen absprechen.

Das Argument ist meines Erachtens eher schlank, da Habermas in seiner Theorie Letztbegründung ablehnt (dies war das Thema meiner Magisterarbeit). Dass wir durch die Anwendung der genetischen Manipulation die Freiheit der Individuen nehmen, halte ich zudem für weit ausgeholt. Probleme ergeben sich eher, wenn wir überlegen, dass hier womöglich zwei Klassen-Gesellschaften entstehen werden: Menschen, die das Geld haben im genetischen Supermarkt shoppen zu gehen und denen, die dieses Geld nicht besitzen. Wir sehen ja heute schon, wie sich die Reichen immer mehr in die Sphäre der Schönheit verabschieden, während wir „Armen“ unserem Altern im Spiegel hilflos zusehen müssen. Schönheit wird zunehmend bezahlbar. Wer würde es von diesen Menschen nicht danken, die Nase gleich vor der Geburt gestaltet haben zu bekommen (ui angesichts dieser neuen Techniken reicht wohl die Deutsche Grammatik nicht mal aus, um adäquat pränatale Eingriffe zu beschreiben). Es ist für mich daher eher ein Gerechigkeitsproblem.

Die Transhumanisten

Die Phantasien aber gehen weiter: In den 60ern als ja die Forschung noch relativ unbedarft operierte, schlugen US-amerikanische Mediziner vor, den Menschen an die Atmosphäre des Weltalls anzupassen. Eine für mich ästhetische Idee im Übrigen, dass Menschen durch die lebensfeindlichen Weiten des Weltalls spazieren. Warum nicht auch organisch technische Raumschiffe? In Wikipedia heißt es hierzu:

„Mit Hilfe von biochemischen, physiologischen und elektronischen Modifikationen sollten Menschen als „selbstregulierende Mensch-Maschinen-Systeme“ im Weltraum überlebensfähig sein.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Cyborg#cite_note-4)

Wir gehen also einer immer größeren biologischen Umrüstung des Universums entgegen, insofern wir diesen schon hochgerüsteten Gedanken nochmals extrapolieren. Nicht nur ein Universum, was mit Menschen bevölkert ist, sondern ein Universum, das in Gänze dem menschlichen Leib unter seiner Verfügungsgewalt angeeignet worden ist.

Die Transhumanisten formulieren es hierzu wie folgt:

„Wir können höhere Gipfel erklimmen, wenn wir nur unsere Intelligenz, unsere Entschlossenheit und unseren Optimismus dafür einsetzen, die menschliche Puppe zu durchstoßen. Die Evolution hat trotz unserer Bemühungen unser Verhalten in bestimmte Richtungen geleitet, die in unser Gehirn eingearbeitet sind. Unsere Körper und Gehirne beschränken unsere Kapazitäten.(Max More: Vom biologischen Menschen zum posthumanen Wesen)

Das uns umschließende Gattungswesen „Mensch“ mit seiner begrenzten Vernunft, soll nun also wie eine alte Actionfigur aus den 70ern bei Seite gelegt werden, wie eine Hülle abgestreift werden.

Auf zum Ãœbermenschen?

Ich möchte dazu soviel sagen: Angesichts der realen Probleme muss der Zukunftschor noch nicht angestimmt werden. Zunächst stellt sich die Frage, ob eine Gesellschaft Gentechnik überhaupt verantworten kann. Die Extropianer, wie sich die Transhumanisten auch nennen, wollen eine neue Philosophie für das neue Millenium kreieren, fragen aber nicht, ob wir überhaupt schon für ihre Technikphantasien moralisch bereit sind. Es leitet mich folgende Intuition: Wenn die Atombombe 10 Jahre früher erfunden worden wäre und das in Deutschland, dann… Technik ist nicht per se etwas schlechtes, ob wir jedoch das technisch Machbare auch mit den gegenwärtigen Mitteln der Vernunft einholen können, bleibt unbeantwortet. Die Teleologien der post-, trans- oder Was-auch-immer-Humanisten jedenfalls verlieren über ihre Idealvorstellungen hinaus, die Bodenhaftung. Metaphysische Zielsetzungen lassen vergessen, dass das Sein immer noch ungeklärt vor ihren Füßen liegt. Warum sollte ein bevölkertes Universum die viel dringendere Sinnfrage nach dem Sein lösen? Ich gehe zwar nicht soweit wie Habermas und bezeichne Science Fiction als Jugendträume pubertierender Philsophen, denn ich lasse mich gerne von den Fragen des Menschenmöglichen faszinieren, lehne aber eine biologische Steigerungsinterpretation von zum Beispiel Nietzsches Lehre vom Ãœbermenschen ab.

„Ich lehre euch den Ãœbermenschen. Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr getan, ihn zu überwinden?“ (Friedrich Nietzsche „Also sprach Zarathustra“)

Ob die Überwindung des Menschen hier als eine technische Bestückung des Humanum beziehungsweise eine Humanisierung des Universums gemeint ist oder aber die Überwindung als ein Aufstieg zur Moral interpretiert wird, unterscheidet zwischen naivem Science-Fiction und ernstzunehmender Zukunftsforschung. Naiv an die Wunder der Technik zu glauben jedenfalls, halte ich nicht für den Weg. Dennoch aber zu fragen, ob wir mit der Technik nicht zu einer besseren Gesellschaft im Rahmen des Moralischen kommen können, ist für mich ein wesentliches Element einer jeden Vernunft.

Was kann Technik bewirken?

Wenn wir den Menschen also als eine Puppe betrachten, die durchstoßen werden muss, so müssen wir sehr wohl auch fragen, ob wir uns mit dem Durchstoßen nicht selbst auch verlieren, vielleicht religiös betrachtet, einen letzten Seinsfunken in uns auslöschen und das Feuer der Seele, das sich vielleicht in uns gefangen hat, durch ein barbarisches System ersticken. Die Risiken, und da hat Habermas wohl recht, sind groß.

Die Metapher der zu durchstoßenden Puppe jedoch bringt uns zurück zu der Zukunftsmusik, die alle 80 Jährigen mit schlecht funktionierender, künstlicher Hüfte hoffen lässt: Steve Austin, astronaut, a man barely alive, eine alte Actionfigur aus den 70er Jahren mit künstlichen Beinen. Dennoch 60 Meilen pro Stunde in der Spitze würde Usain Bolt mit 4 Sekunden auf 100 Metern wie eine Schnecke zurücklassen.

schaut euch einfach an, wie Bolt schon vor dem Sieg feiert ;)

Steve Austin ist aber tatsächlich eine Puppe aus der Mottenkiste, eine abgewetzte Spielfigur der 70er. Dennoch kämpft er als ewig Laufender für das Gute, eine Zielbestimmung, die sich aus keiner Technik ableiten lässt, ein Gedanke, der nur aus Freiheit hervorgebracht werden kann. Daher bewundern wir Steve Austin immer noch.

Wie steht es also mit der Prothetisierung der Menschen? Steve Austin, der Mann mit der künstlichen Hüfte und den bionischen Beinen würde zumindest jede Paralympics gewinnen. Und womöglich werden wir Zukunft bei Behindertensportarten bessere Leistungen sehen, als bei Olympia. Dies ist wohl die erste Veränderung, der wir entgegen gehen. Wann werden also die ersten Menschen ihre Beine abnehmen lassen, um bessere Beine zu bekommen?

Egal, denn wer hätte etwas dagegen, wenn es so ästhetisch aussieht wie bei Steve Austin. Also bis zum nächsten mal und unten im Kasten den Blog abonnieren und bitte weiterempfehlen.

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