Philosophie der Freiheit: Wie wir in die Welt eingeschlossen sind und zu den Auswegen aus der Taubblindheit durch Sprache

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Was erfahren Taubblinde? CC_Foto: ElNegroChupy

Wie tief reicht also unsere Behinderung? Wie stark sind wir alle eingeschränkt? Mit dieser philosophischen Frage haben wir uns in den letzten Beträgen beschäftigt:

Ich hatte also eine Philosophie der Behinderung vorgeschlagen, in der wir uns ganz existential unserer eigenen Behinderungen bewusst werden. Es ist daher eine Philosophie, weil die ursprünglichste Erkenntnisgrenze, die eigene Behinderung durch Vorstellung ist. Diese Philosophie will ich allerdings keineswegs negativ verstehe, denn auch die Horizonte der Behinderung, sind die Sehnsüchte der Reisenden, die das Land nach den Grenzen durchkreuzen. Spezifischer müssen wir philosophisch das Verhältnis zur eigenen Grenze andenken und dies ist Philosophie. Aus diesem Grunde sind auch Taubblinde in der Lage Philosophie zu betreiben. Ich sage dies, weil ich als Schüler zu diesem Gedanken nicht fähig war. Dazu allerdings gleich mehr.

Randnotiz: Eigenlich wollte ich meinen philosophischen Beitrag bereits am Freitag fertig gestellt haben. Da wir uns aber nun alle zwei Tage mit dem Philosophen Hegel auseinandersetzen und äußerst kleinschrittig vorgehen, konzentriere ich mich wieder mehr auf das philosophische Business as usual. Auf meinem Blog http:/www.fibonaccie.blogspot.com könnt ihr diese Auseinandersetzung mit der Philosophie Hegels live mitvollziehen, da ich dort immer (auch für mich selbst) zusammenfasse.

Was sind unserer existentialen Behinderungen?

Wir sind Innenwelten, die wie Atlas dazu verdammt sind ganze Horizonte im Genick zu tragen. Die Welt lastet auf dem Atlaswirbel und erdrückt die inneren Himmel, die eigenen Universen. Die Psychosphäre unserer Vorstellung spielt allein eine Rolle, wenn wir um Mitgefühl oder um Liebe werben, kreativ im Rahmen des Weltlichen sein dürfen oder unsere Vorstellung in die mausgrauen Transaktionen der Wirtschaft verschwenden müssen. Unter den Drücken der Welt ragen wir in unser selbst, tapezieren uns von innen ein wenig mit Emotionen. Nicht Wenige vegetieren wegen der Weltzwänge in Depressionen. Die Innenwände können wir nicht lebend verlassen. Der Körper gibt den Geist nicht auf und wie in einem sich selbst bewegenden Hamsterrad müssen wir mitlaufen. Wir führen manchmal unser Bewusstsein im fleischernen Anzug spazieren, zumeist aber werden wir von allen Zwängen durch die Welt transportiert.

Das Denken und die Gefühle derweil (wenn auch ihre Einheit niemals getrennt ist) zeigen sich in der Welt in sprachlicher Gestalt. Wir wagen uns aus einem Innen in ein Außen hervor und setzen uns aus. Während mancher Körperklaus mit seinem organischem Käfig freudig erregt in die Luft springt, pneumatische Arme durch fleischige Gitter streckt, so wissen Verzweifelte und Begrenzte, dass sie den  Körper niemals so ganz emotional durchsichtig machen können. Wir sind eingeschlossen und so bleibt das Mitgefühl (als einziges Fenster) zwischen Menschen oftmals kalt.

Wie eine Playmobilfigur in die Welt gestellt, spielen wir das Leben und unbedacht spielen wir dabei mit der Welt als wäre sie eben auch nur dieses Dinghafte und Körperliche. Die wenige Freiheit, die verbleibt, können wir nicht nutzen, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Stattdessen gehen wir den Dingen, die die äußeren Zwänge vermitteln, nach. Hin und wieder entlasten wir uns mit geringer Freiheit, die die Welt hier und dort gewährt. Mit einem Leib aber, der weniger kann als wir wollen, müssen wir auskommen in einer Welt aus Umgebung. Freiheiten realisieren sich nur in Rahmen, aber spiegeln niemals das Wünschenswerte wieder. Dies trifft den einen an seiner Weltstelle härter, der andere rastet im gegenwärtigen Glück (wenn Glück nur nicht vergänglich wäre). Wohl am schlimmsten aber trifft die Gegenstandhaftigkeit momentan die Milliarden Tiere, die wir gleichsam nur noch als leblose Dinge behandeln.

Philosophie der Freiheit

Die Freiheit ist ein letztes Refugium und Quellgrund all unserer Philosophie. Letztlich können wir mit der ganzen Eingeschlossenheit in unseren Körper doch etwas in der Welt bedingen. Zwar sind wir nicht mächtig, wie wir uns beispielsweise einen Gott vorstellen, der Götterfunken der Freiheit aber, wie Schiller es einst nannte, ist uns wirksam. Letztlich aber besteht die Bewusstheit der Freiheit aus einer Bewusstheit der Grenzen und damit müssen wir eine Philosophie der Grenzen des Denkens betreiben. Aus diesen Gründen kann uns niemand unsere Freiheit unter allen, äußeren Bedinungen nicht nehmen. Kein Gefängnis kann die letzte Freiheit stellen und keine Körperwelt, die Freiheit begrenzen. Der Film das Meer in mir (gleichwohl der Hauptdarsteller den Tod als letzte Befreiung wünscht) bringt dies ebenso zum Ausdruck.

Taubblindheit als Behinderung

Ich erinnere mich, dass in unserem Biologiebuch der Siebten Klasse ein taubblindes Mädchen abgebildet war. Damals konnte ich mir nicht vorstellen, wie diese Taubblinden jemals Glück empfinden sollte. Mir schien, dass ein Mensch dort in einem Körper eingeschlossen, lebendig begraben war, ohne jemals ein Fenster zur Welt geöffnet zu bekommen. Mir schien als würde die Taubblinde niemals andere Menschen kennen lernen können, mir schien als müsste sie in einem diffusen Kosmos aus Berührungen verbleiben, aber könnte niemals die Welt in ihrem Wesen verstehen.

Es hat lange gedauert bis ich durch die Sprache begriff, dass die Welt mehr als die Ansammlung von Daten in unseren Sinne ist. Zunächst hörte ich von Helen Keller, die als Taubblinde gar studiert hatte. Ich verbuchte es als erstaunlichen Fakt, dass diese Menschen gar einen Begriff von Gott entwickeln konnten, ohne doch jemals ein Objekt in Klarheit gesehen zu haben. Dass sich aus der Taubblindheit heraus ein Verständnis für das Sein erlangen sollte, schien mir spektakulär, weil ich nicht die Leistungen unseres Bewusstseins kannte. Ich bedachte damals nicht, dass sich die Philosophie aus der Freiheit und nicht aus der Welt heraus gibt.

Derweil nehme ich solche Erfahrungen als Verweis darauf, dass wir nicht in Bildern, sondern in Sprache leben. Die bildlichen Eindrücke sind eher der zeichen-symbolhaften Vermittlung geschuldet mit derer wir fortwährend operieren. Wir denken es seien Bilder, weil sie den Bildern entsprechen, die wir als Bilder kennen und unser Sehsinn Ähnlichkeiten aufweist. Formulieren wir aber, dass wir in Bildern denken, wie sollten dann Taubblinde dazu fähig sein? Ich saß lange dem Irrtum auf, dass das, was ich sehe, Bilder sein müssten. Um diese Gedanken zu klären, müssen wir natürlich erst klären, was Sprache bedeutet, denn ich meine mit Sprache nicht sprechen, aber die Taubblindheit lehrt uns meines Erachtens ein Stück Ontologie. Wie genau, dies möchte ich nächste Woche genauer erläutern. Zunächst habe ich ein paar Videos herausgesucht, die das Phänomen der Taubblindheit näher bringen können. Nächste Woche nähere ich mich dem ganzen dann nochmals philosophisch.

In diesem Video spricht Helen Keller von der großen Enttäuschung ihr es Lebens. Nicht Licht und Dunkel, sondern die Eingeschlossenheit in Sprachlosigkeit, machte ihr das Leben unerträglich. Ein Leben im diffusen Sein unklarer Irrungen und Wirrungen der Seele, ohne sich jemals durch die schwebenden und dynamischen Begriffe der Sprache zu hangeln, ist unerträglich.

Im folgenden gibt es noch einen Film über Helen Keller. Ich habe ihn selbst noch nicht ganz durch, werde dies aber bis nächste Woche getan haben. Leider habe ich diesen nur auf Englisch gefunden, kann ihn aber empfehlen.

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Bis nächste Woche Freitag

Norman Schultz

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