Wie sich in der Behinderung die Seinsphilosophie entfaltet

Discapacidad / Physical Disability

Ich bin dafür den Begriff "Mensch" durch den Begriff "Behinderter" zu ersetzen

Die durchschnittliche Körpernormalität ist eine gesellschaftlich-biologisch etablierte. Allein durch seine Abweichung stellt der Behinderte diese Körpernormalität jedoch philosophisch in Frage. Erst diese Differenz des Behinderten zum Menschen in uns macht uns zum Menschen. So ist letztlich auch der Durchschnittsmensch eine stete Abweichung seines selbst und als Behinderter zu erfassen. Wie ich dieses bereits ausführte sind wir alle behindert, die Frage ist nur in welcher Weise uns dieses bewusst ist und zur Philosophie wird. Daher spreche ich zwar über behinderte Menschen, meine aber die viel ursprünglichere Behinderung Mensch zu sein, die die Philosophie eines Transhumanismus beispielsweise zu überspringen versucht.

Aufgrund dieser Philosophie rede ich teilweise fälschlich teilweise richtigerweise vom Behinderten. Die politisch korrekte Notation liegt mir dabei allerdings wenig am Herzen, da mein eigentliches Herzensziel ohnehin die Stärkung der Freiheit jeder sich entfaltenden Freiheit (und so auch der Tiere) ist. Mir geht es prinzipiell darum: Anstatt die eigens konstruierte und gesellschaftlich-etablierte Inadäquatheit zu den Körperwelten anderer zu akzeptieren, die Stärkung der eigenen Fähigkeiten in den Blick zu nehmen. Die grundlegende zu stärkende Fähigkeit ist es dabei Mensch zu sein. Sehr wohl betrachte ich die Aufgabe, Mensch zu sein, nicht als natürlich, sondern als eine Aufgabe, die jeder stetig realisieren muss und soll. Wir wollen menschlich sein und daher gibt es zwar behinderte Menschen. Dieser Ausdruck (behinderte Menschen) lässt uns aber vergessen, dass wir alle erst und immer wieder unsere Menschlichkeit philosophisch unter Beweis stellen müssen. Mensch sein ist kein Faktum. Mensch sein heißt die Behinderung einzusehen.

Zu behinderten Menschen

Ich bin der tiefen Ãœberzeugung, dass wir in einer arbeitsteiligen Gesellschaft alle elitäres Können und Wissen antrainieren können. Ich meine daher, dass die fortwährende Integration Behinderter in Billigwerkstätten Ausbeutung darstellt. Da sich behinderte Menschen im Vergleich zu den „normal“ Behinderten weniger wehren, beuten Trägervereine, die einst das Beste wollten, diese als billige Arbeitskräfte aus. Behindertenwerkstätten sind oftmals die erweiterte Infrastruktur eines bequemen Sesselwärmers, eines Schreibtischpaladins, der Menschen in Schraubensortieranlagen klein hält, aber unter dem Deckmantel des guten Willens sie fein säuberlich nur verwaltet. Was in Behindertenwerkstätten passiert, ist Ausbeutung. Auch wenn wir damit diesen Menschen kurzfristig Sinn durch die Integration in eine Arbeitsathmosphäre gewährleisten, hält unsere Gesellschaft behinderte Menschen mit minderwertigen Aufgaben klein. Der Skandal zeigt sich schon allein in dem Gedanken, dass „normale Menschen“ für die gleiche Arbeit besser bezahlt werden müssten. Da aber behinderte Menschen aufgrund ihrer vernachlässigten Bildung diese Sachverhalte nicht durchdringen, wehren sie sich auch nicht. Ich frage mich, wie es sein kann, dass wir ein ganzes Herr von behinderten Menschen in einer Anlage zusammenferchen als müssten wir sie als Ungleiche behandeln, die nur unter Ungleichen gleich sein könnten. Interessant ist zudem, dass wir gerade dort politisch korrekt von behinderten Menschen sprechen, wo wir so doch ihre gesellschaftliche Abgrenzung betreiben.

Indem wir nun aber den Behinderten dort sprachlich-formal zum behinderten Menschen transformieren, verschleiern wir die Möglichkeit zur eigenen Philosophie der Behinderung. Wir sind alle Behinderte und nicht dort ist ein behinderter Mensch und hier ein Mensch.

Der Film „Me Too – Wer will schon normal sein?“

Der Film „Me Too“ (wenn auch kitschig und schlecht arrangiert) zeigt den Lebensweg eines Menschen mit Downsyndrom, der sich nach erfolgreichem Studium in seine „normale“ Mitarbeiterin verliebt.  Weltweit gibt es zwei Fälle von studierten Menschen mit Downsyndrom. Ich habe allerdings auch einen Freund in Hong Kong, der ebenso expressiv Comics malt und studiert hat, bei dem aber aufgrund christlichen Hintergrunds niemals diagnostiziert worden ist, dass er behindert, noch dass er ein Mensch ist. Beachtlich ist jedoch, dass wir mit den Klassifikationen Lebenswege vorzeichnen und einige Chancen im Vagen lassen. Talente sind auch immer Fragen der Ãœbung und Selbststeigerung. Darüber hinaus sollte unser Pluralismus gerade die existentiellen Lebenswege offen halten.

In dem Film also erkämpft sich der Hauptdarsteller beruflichen Erfolg. Und wird ähnlich wie der Geiger Untan für sein Talent dafür geschätzt, auf die Stufe der Normalität als Kuriosität zu steigen. Doch die Zuneigung der Gesellschaft fehlt ihm. Ihm gegenüber steht eine „normale“ Frau, die zwischen den „intakten“ Männern (wobei ich womöglich männliche Menschen sagen müsste) herumeifert, aber sich doch in ihrer seelischen Verlassenheit in die Oberflächlichkeit ihrer Normalität hüllt.  Sie mag Chancen in ihrem Leben nicht genutzt haben. Diese Scham aber empfindet sie gegenüber dem behinderten Hautdarsteller und Menschen nicht. Keine Scham, was politisch korrekt ist, denn mittlerweile sind wir so in die Individualität involviert und gerechtfertigt, dass wir uns Schuldgefühle prinzipiell nicht einreden lassen. So reagiert auch der Kollege vom behinderten Menschen (politisch wohl korrekt formuliert):

Kollege: „Wenn du auf normale Frauen stehst, wird das nie was werden.“

Behinderter Mensch (politisch korrekt formuliert):  „Du hast eine Frau und erwartest ein Baby“

Kollege: „Ich lass mir von dir keine Schuldgefühle machen.“

Mit der Fokussierung auf das politisch Korrekte sind wir allerdings dialektisch von dem ursprünglichsten Verständnis der Behinderung entfernt und damit sehen wir auch nicht die Schuldgefühle, die wir prinzipiell alle als Behinderte haben müssen: Wir haben diese Schnittstelle in der Zeit als Menschen besetzt, die auch ein anderer hätte ausfüllen können. Wir stehen hier und drängen die Pflicht nach Vergebung fort. Menschen sind schuld allein dafür, dass sie sind. Wenn sie sich als Menschen erkennen und dies sage ich ohne christliche Konfession, so führt an der Schuld kein Weg vorbei. Der Philosoph Alfred Eisleben formulierte es besser:

„Wie ein Blitz in uns gefahren, sind wir hier, umhüllt von Fleisch, hinausblickend in die Welt. Wir kamen vom Nichts, allein, die Weltspende, das fremde Herz in uns, um dann in die leere Hand, in das Nichts zurückzufallen. Was sind wir mehr als durch Schuld und Unschuld zugleich?„ (Alfred Eisleben „Sinn und Sinnhaftigkeit“ HansaVerlag 1963:25)

Der ein oder andere mag die philosophische Dialektik verkennen, die uns als Behinderte durchdringt. Wir sind ein Pendel, dass von der Befreiung immer wieder in den Körper zurückfällt und sich selbst hassen und lieben muss, sich schuldig und unschuldig zu gleich fühlt und so auch Mensch und Nicht-Mensch, er selbst und nicht er selbst ist und sein kann.

Warum nun ist die Hauptfigur im Film „Me too“ „intelligenter“ (was immer das auch heißen soll) als andere Behinderte, weil – so bekundet der Film – seine Mutter viel mit ihm gesprochen habe. Sie habe sich mit ihm und Politik auseinandergesetzt. An dieser Stelle ist klar (wenn auch nicht empirisch durchforscht), Gesellschaften haben in der Bildung ihr Steigerungspotential. Gerade bei behinderten Menschen sollte dieser Gedanke an den Menschen als überhaupt Behinderter deutlich werden.  Für Behidnerte kann daher gelten, gleich, ob sie sich auf das Plateau der Normalitität gekämpft haben oder selbst überhaupt von einer Selbststeigerungsphilosophie erfasst sind, sie sind doch sogleich von der Möglichkeit des Werdens erfüllt. Dieses zeichnet den „behinderten Menschen“ (ich hoffe der Leser versteht die Ironie meiner Formulierungen) im Film wie auch jeden anderen Behinderten überhaupt aus. Im Film ist klar: Warum sollte der Hauptdarsteller also mit anderen Menschen, die diese Kämpfe nicht geführt haben, eine Beziehung pflegen? Die berechtigte Frage, warum also eine „normale“ Frau einen Behinderten lieben sollte, während der „Behinderte“ nur bereit ist „normale“ Frauen zu lieben, beantwortet sich leicht: Er weiß um den doch hohen Wert der Normalität. Es geht dabei nicht um die Äußerlichkeit der Normalität einer Frau, sondern um den Wert der Lebensperspektive, die er für sich gewonnen hat. Mit dieser Lebensperspektive hebt er sich über sich hinaus, um zugleich doch seine Behinderung einzusehen. Behinderte Menschen, die wir daher zwingen, um Normalität zu kämpfen, sind daher immer schon die Starken, denn wir müssten eigentlich ebenso unsere Behinderung einsehen. Weil wir aber neben uns die Menschen mit Behinderung anerkennen, erkennen wir nicht unsere ursprüngliche Gleichheit als Behinderte.

Nun mag es den ein oder anderen geben, der mit dem Schuldbegriff und dem Begriff der Behinderung überfordert ist, aber ich meine einen befreienden Schuldbegriff für das Sein, der auf die Anerkennung der eigenen Behinderung zielt. Wer sich in diese dialektische und fortgehende dialektische Philosophie nicht einlassen kann, der wird mir religiösen Eifer unterstellen, dass Diskriminierung mein Anliegen ist. Wir diskriminieren jedoch mit jedem Wort, da das Allgemeine das Besondere immer auseinanderzerrt. Wir dürfen uns nicht auf unsere zu letzt gesprochenen Wort verlassen, sondern müssen erkennen, dass die Worte den Diskurs weiterführen, andernfalls verinseln wir uns in unseren Vormeinungen. Es gilt gleichsam als Ziel einer Selbststeigerungsphilosophie jeden Tag seine Vormeinungen fallen zu lassen. Selbst die Meinungen von uns selbst gilt es dabei zu überwinden und uns in das zu führen, was wir nun noch nicht können. Vielleicht gelingt es irgendwann die Behinderung dabei zurückzulassen? Hier aber beginnt die Philosophie des Transhumanismus zu denken.

Anmerkung

Eine notwendige Anmerkung verbleibt noch über die Gesellschaften und die Behinderungen zu sagen. Erschrocken bin ich über das doch immer noch rüde Russland, welches starke Männer braucht und keine Schwächen kennt: In Wikipedia lässt sich daher folgendes lesen:

In Russland wird auch heute noch den Eltern nach der Geburt eines Kindes mit Behinderung, so auch im Falle eines Down-Syndroms, geraten, den Säugling in ein Heim zu geben. Durch unzureichende personelle und materielle Ausstattung, Mangelernährung, unhygienische Zustände, wenig Bewegungsfreiheit und so gut wie keine pädagogische Zuwendung, Förderung und Therapie lernen die wenigsten Kinder mit Down-Syndrom das Laufen und Sprechen. Die meisten versterben im Kindesalter, da sie medizinisch kaum bzw. nur ungenügend behandelt werden. Eine Schulbildung ist wenn überhaupt nur für leicht beeinträchtigte Kinder und Jugendliche vorgesehen und Arbeitsmöglichkeiten für erwachsene Menschen mit Behinderung nur sporadisch vorhanden. (Wikipedia-Artikel)

Peinlich, liebe Russen!

Ich werde mich noch weiter, von nun an immer Freitags mit dem Thema Behinderung und Selbststeigerung befassen. Da ich momentan in viele andere Projekte involviert bin, ist dies nicht anders möglich. Den Beitrag bitte liken oder weitertwittern. Vielen Dank.

Hier gibt es noch einen weiteren BuchLink, worin sich dem Problem, der physischen Abhänigkeit von unserem Körper angenommen wird. Ansonsten bis demnächst. Norman Schultz.

 

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10 Antworten auf Wie sich in der Behinderung die Seinsphilosophie entfaltet

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  3. Pingback: Precht und der Skandal Schule РVerbl̦dung war schon immer bl̦d | Bewusstes Lernen

  4. Franz Josef Neffe sagt:

    Martin ist mongoloid.
    Das ist ein Vorzug, den jeder sieht,
    den aber nicht jeder versteht.
    Nur die Schwächen zu sehn, ist einfach blöd.
    Martin ist lebendig und gesund.
    Er spürt den Schatz auf seinem Grund
    und wir, wir spüren ihn nicht.
    Schaut dem Martin gerad ins Gesicht!

    Das ist der Refrain meines Lebens-Liedes, das ich vor ca. 30 Jahren für Martin gemacht und gesungen habe.
    Die Strophen erzählen von den Talenten in ihm und ihrer Sehnsucht nach achtsamer Herausforderung, die ihm leider in der Schule eher reduziert als als gestärkt und entwickelt und zum Wachsen gebracht. Chancen bekam Martin vor allem von den Eltern und der Kirche.

    Wenn ich in XXX geblieben wär,
    hier oben im Osten und Norden,
    wenn ich in XXX geblieben wär,
    wäre Martin mein Schüler geworden.
    Er kam in die Schule, die lernbehindert war
    und die Angst hatte, ihm nicht gewachsen zu sein,
    und so steckte man ihn schon nach einem Jahr
    in die geistig behinderte Schule hinein.
    2.
    Der liebe Gott hat seine Kinder lieb,
    drum ist Martin sein Diener geworden
    als Ministrant im Kirchenbetrieb
    hier oben im Osten und Norden.
    Er kam in die Kirche, die offen für ihn war
    und nicht Angst hatte, ihm nicht gewachsen zu sein.
    Und so lebt er dort auf schon so manches Jahr
    und ich frag Euch: Warum soll das nur an einem Ort so sein?
    3.
    In der geistig behinderten Schule ist
    Martin einsame Spitze geworden.
    Und am Nachmittag, wenn er zu Hause ist
    hier oben im Osten und Norden,
    da sind seine 7 Geschwister für ihn da,
    die keine Angst haben, ihm nicht gewachsen zu sein.
    Und so lebt er dort auf schon jahr für Jahr
    und ich frag Euch: Warum soll das nicht überall so sein?

    Als Ich-kann-Schule-Lehrer unterscheide ich immer zwischen dem Menschen und seinen Kräften und Talenten. Die Pädagogik müht sich meist mit zunehmendem Misserfolg mit den Fehlern und Schwächen ab, vergisst die Kräfte und Talente hochzuachten, zu stärken und zu pflegen. Sie lässt die Kräfte verhungern, macht Druck und quält sie mit sinnlosen Übungen und reibt ihnen dann zynischerweise auch noch dauernd unter die Nase, dass sie nicht können.
    In der neuen Ich-kann-Schule werden die schwächsten Stärken am sorgfältigsten geachtet, gestärkt und gepflegt. Mit ihnen sind, wenn sie sich erholt haben, Leistungen möglich, die mit den üblichen, unerfahrenen 08/15-Talenten nie erreicht werden können. Statt sie mit Druck erst matt und dann platt zu machen, lenke ich diese entscheidenden Geistes- und Seelenkräfte sanft und präzise mit SOG-Wirkung. Wenn ich sie und ihre Großartigkeit verstanden habe, weiß ich, was sie ZIEHT.
    Probleme – das ist in der Ich-kann-Schule klar – ertscheinen immer als Sachprobleme, sind aber stets menschliche Probleme. Die Pädagogik hat das bis heute nicht verstanden und versucht – stets mit wachsendem Misserfolg die Scheinprobleme zu lösen. Wenn wir Seinsprobleme lösen, wird menschliches Wachstum möglich und nur dadurch wird der Mensch seinen Lebensaufgaben gewachsen. Das gilt für alle Probleme. Probleme sind Lebensuafgaben.
    Guten Erfolg!
    Franz Josef Neffe

    • Ich bin durchaus dabei, diese Forderungen zu unternehmen und den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Aber kommt es nicht auch immer auf Funktionalität an, die unsere Gesellschaft miterhält und so doch auch immer ein Teil der Menschlichkeit ist, die wir uns nachdem der Hunger gestillt ist, leisten? Eine Frage für mich wäre beispielsweise: Wenn wir alle nur noch das machen, was uns Spaß macht, bleibt dann nicht eine Menge Dreck liegen?

      • Franz Josef Neffe sagt:

        Ich fände es überhaupt nicht ok, wenn jemand versuchen würde, mich in den Mittelpunkt zu stellen, und darum mache ich das auch mit anderen nicht. Es fällt uns gar nicht mehr auf, wie sehr wir durch eine lebensblinde Pädagogik darauf dressiert sind, Menschen als OBJEKTE zu behandeln.
        Ich schaue mir an, wo der Mensch steht, und achte seinen Standpunkt. Das ist das mindeste, wenn ich ihm andere Standpunkte zeigen will. Und dabei geht es überhaupt nicht um Spaß. Es geht darum, welche Standpunktänderung dem Leben konkret bessere Entwicklungschacnen gibt.
        Funktionalität erhält unsere Gesellschaft nicht. Wenn etwas funktioniert, ist das nur ein ZEICHEN dafür, dass wir mit den dafür zuständigen Kräften – bewusst oder unbewusst – gut umgegangen sind. Wir sollten klugerweise statt der Forcierung der Anhäufung von Papierwissen besser Zeichen erkennen und hinterfragen lernen, wenn wir uns konkret verbessern wollen.
        Ich grüße frezundlich.
        Franz Josef Neffe

        • Der Einwand der Objektivierung ist althergebracht. Die Frage ist, ob es eine andere Handlungsart im menschlichen Dasein gibt, die tatsächlich die Kluft zwischen Subjekt und Objekt oder präziser zwischen Denken und Sein überbrücken kann. Zwar gibt es viele, die dies behaupten, allerdings sehe ich nicht auch nur eine Praxis, die eben mehr aufzeigt als Behauptungen. Was übrig bleibt sind Machtstrukturen, indem sich der angebliche Praktiker immer hinter einer Theorie verkriecht, die behauptet keine Theorie zu brauchen. Das aber ist Theorie: Dabei verobjektiviert er eine fortan unzweifelbare Praxis. Das aber ist nicht meine Welt, genau benommen ist das Standpunktphilosophie. Entgegen sehe ich die Geschichte eine fortwährenden Kritik, die eben immer den letzten Standpunkt übernimmt. Aus diesem Grunde vertraue ich auch keinen Revolutionen, die glauben, es gebe einen Resetknopf, um alles neu zu starten. Das Wissen kommt aus eben den Zeichen, die schon bestehen und das ist eben jene besagte Schule. Die Frage wäre also wie wir Machtstrukturen daraus herauskürzen, anstatt sie mit machtvollen Gesten zu beseitigen und damit die Macht nur indirekt neu zu etablieren.

          • Franz Josef Neffe sagt:

            Es ist nicht die Frage sondern die Aufforderung, das zu prüfen. Sonst schieben wir in tausend Jahren noch unbeantwortete Fragen hin und her.
            Leben wir nicht ein wenig in dem Wahn, wir würden uns die wirkliche Welt ertst erschaffen, und übersehen dabei, dass sie bereits erschaffen ist – und dass wir nach einigen Jahrtausenden endlich mit ihr umgehen lernen sollten?
            Nehmen wir mal zum Vergleich S.Freud und E,Coué.
            Freud kennt heute alle Welt a) als Vertreter der herrschenden Wissenschaft und b) als THEORIElieferant INS PROBLEM HINEIN. Sein Freund Dr. Breuer schickte ihm die Patientinnen.
            Coué hatte für Theorie keine Zeit. Schon in den 1910er Jahren kamen jährlich einige zehntausend Hilfesuchende aus aller Welt in seine unentgeltlichen, öffentlichen Sitzungen; Misserfolgsberichte man man nicht. Coué machte von morgens bis abends PRAXIS AUS DEM PROBLEM HERAUS. Natürlich hatte auch Coué „eine Therorie“. Sie war die einfache, leicht praktisch nachvollziehbare Beschreibung seiner praktischen Erfolge, mit der die Betroffenen in aller Welt (auch ohne ihn) ähnliche Ergebnisse reprodizieren konnten.
            Während die Wissenschaften stets Freuds Theorien (ohne dazugehörige praktische Lösungen) eifrig propagiert haben, haben sie ebenso eifrig Coués praktische Ergebnisse inclusive seiner einfachen Theorie TABUISIERT und ganz und gar nicht wissenschaftlich behandelt.
            Letzten Endes wählt sich also jeder seine WIRKlichkeit und lebt damit.
            Ich grüße Freundlich.
            Franz Josef Neffe

          • Die Imperative erscheinen mir immer noch machtvolle Gesten zu sein. Die Frage ist die demokratischere Option. Sie werden dies aus ihrer Praxis als Sonderschullehrer und Pädagoge kennen, denn die Frage nimmt immer schon Bezug auf das Können, das vorhanden ist. Vielleicht sollte ihr Vertrauen, das sie in Schüler investieren (und das ich in meiner Praxis auch stetig anwende) auch auf Gesellschaften erweitern?

            Zu ihrem wissenschaftlstheoretischen Diskurs muss ich einwenden, dass Freud heute in der Forschung kaum mehr eine Rolle spielt. Es gibt derweil noch einige Therapeuten, die seine Theorien vorsichtig anwenden (es gibt auch einige, die seine Theorien überhöhen). Darüberhinaus war Freuds Theorie niemals mit einer Koordinate wie etwa Newtons oder Einsteins Theorie zu verwechseln. Eher war Freuds Theorie ein offenes Gebilde, das eher offene Diskurse als sture Kalkulation ermöglichte (die Betonung liegt auf „eher“, denn Verkrustung gibt es überall). Ich muss allerdings sagen, dass ich keine Theorie favourisiere, sondern immer und beständig nach Beweisen frage. Wir müssten also klären, was ein Beweis ist.

            Vielleicht stimmen Sie mir zu, dass das Einfache nicht das Wahre ist. Derweil kann es Fälle geben, in denen das Einfache das Wahre ist, ebenso aber auch Fälle, wo der Schein des Einfachen uns zu falschen Schlussfolgerungen verleitet. Die Forderung nach Einfachheit ist ein Machtinstrument, um eben gerade die Wissenschaft daran zu hindern, ihren Fortgang zu nehmen. Lassen Sie mich allerdings auch etwas zur Wissenschaft sagen: Die Wissenschaft ist keine ideale und vor allem keine heile Welt. Es geht oftmals um Forschungsgelder, Professuren und um Reputation, wodurch es einige Theorien, die nicht den Anschein von Finanzierbarkeit unter den Tisch fallen. Ich bin daher stets dafür auch die Wissenschaftskritikmit aller nötigen Feinheit voranzutreiben. Lassen Sie es mich so formulieren (wie im Philosophischen) bin ich stets offen für Probleme, da Wissenschaften noch keine Lösungen haben oder wo diese Wissenschaften nur schlechte Ansätze liefern. Gleichwohl aber warne ich zu große Schritte zu machen, denn die Fallstricke können größer sein, als was wir jetzt haben.

            Ich erwarte nicht, dass ich sie hier für eine bessere Wissenschaftlichkeit zurückgewinnen kann. Aber verstehen Sie, dass sie bei einigen gewinnen können, wenn sie zu ihren Argumentationsstrategien noch weitere Beweise hinzufügen. Dies heißt nicht, dass sie dadurch erfolgreich sind.

            Und eine Frage noch: Wären Sie vielleicht sogar bereit sich zu widerlegen? Oder kann ihr Grund nur so sicher sein, dass kein anderer mit seiner Be-Gründ-ung daneben Platz hätte?

          • Pedro sagt:

            In meinem unten nachfolgenden Gedicht blieb und bleibt auch vorrausichtlich in Deutschland leider alles beim „Alten?!“

            Deshalb bin ich ausgewandert und werde seither im fremden Land als normaler Mensch respektiert von der stark multikulturellen Gesellschaft.

            >>>>>>>>> Biografie in Gedichtform gefasst von

            Ich bin nicht Deutschland

            Ein Junge war ich, noch ziemlich klein,
            Fuhr mit meinem Roller geschwind,
            In die Mitte des Dorfes rein.
            Freute mich, war fast schnell wie der Wind,
            Plötzlich lenkte sich die Stange kurz,
            Zwei Frauen standen dort beim Tratsch,
            Ich fiel neben sie im Sturz!
            Statt Hilfe traf mich mitten ins Herz,
            Unmenschlicher Dorfklatsch,
            Ohnmächtig fühlte ich seelischen Schmerz!
            Weil die eine ich hörte fragen,
            Ist das nicht aus der Wilhelmstraße der Depp?
            Darauf die andere erwidernd sagen,
            Oh nein, er gilt sogar als ziemlich schlau!
            Doch, das ist von Meiers der blöde Sepp,
            Blieb standhafter Meinung die böse Frau!

            …….. Ich bin nicht Deutschland

            Frühjahr fünfundsechzig war Ende der Schulzeit.
            Für Gesunde blühte das Wirtschaftswunder.
            Wie alle, hatte ich den selben Traum,
            Wusste noch nicht, für mich unerreichbar weit.
            Denn man ließ mich nicht auch sein,
            Deutschlands Wunder der Baum,
            Musste kämpfen allein,
            Nebenbei mein verhasstes Handicap schleppen.
            Bemerkte Personalchefs kopfschüttelnd sagen,
            Den lassen wir nicht rein,
            Den behinderten Deppen!
            …….. Ich bin nicht Deutschland

            Stattdessen wurde ich gnadenlos verwaltet,
            Gedrängt an den gesellschaftlichen Rand,
            Im Sinne brauner Vergangenheit heuchlerisch veraltet,
            Niemand reichte mir die Hand!
            Nur ne kleine Beschäftigung brauchte ich,
            So wie jeder Teeny auch,
            Allein gelassen und im Stich,
            Fiel ich durch den Ellenbogen-Brauch.
            Als Leben ohne Wert verdammt,
            Kam ich zur Berufs-Rehabilitation,
            Durch’s andauernd ratlose Arbeitsamt,
            Noch besch…….. wurde meine Situation!

            …….. Ich bin nicht Deutschland

            Mit guten Noten wurde ich Geselle,
            Trotzdem vermittelt zum Lohnbetrüger.
            Der setzte mir eine Sekretärin zur Stelle.
            Er ahnte nicht, dass ich bin klüger
            Und fand heraus, sie hat mehr Lohn,
            Als ich Ihr gelernter Vorgesetzter.
            Gegenüber erklärte er mir voller Hohn,
            Mit Ihnen kann ich’s sehr wohl machen!
            Behindert finden Sie keinen Job,
            Tat mit Gesichts verzerrter Fratze lachen,
            Knallte es an meinen Kopf verroht und grob!

            ……. Ich bin nicht Deutschland

            Eines Tages hatte ich genug,
            Von vieler Arbeit und Lohnbetrug.
            Konsequent hab ich den Lump verlassen.
            Wutentbrannt schrie er hinterher,
            Dafür werde ich Sie für immer hassen.
            Erfolgreich war ich fortan mein eigener Chef,
            Führte eine Firma stark im Export.
            Viele Neider wollten nehmen meine Früchte wieder fort,
            Verloren ihr deutsches Herrengesicht,
            Weil ein Krüppel konnte, was sie aber nicht.
            Ich malochte, machte Knete und kaufte ein Haus,
            Mein Verwandtenpack setzte sich rein wie Maden im Speck,
            Sie warfen mich aus meinem Eigentum in den Dreck.
            Körperlich kam ich Ihnen nicht bei.
            Ihre Chancen stehen schlecht,
            Nach merkwürdig deutschem Recht,
            So lapidar die Polizei!
            Wir versteh’n Ihre Not,
            Können leider erst kommen, wenn Sie sind tot.

            …….. Ich bin nicht Deutschland

            Die Statistik zeigt es haargenau,
            Ausgeglichen ob Mann oder Frau,
            Dass jeder zweite Deutsche stur,
            Sich wohl vorstellen kann,
            Lieber mit einem Kriminellen nur,
            Als mit einem behinderten Mann,
            Gemeinsam leben im selben Haus.
            Sechsundfünfzig Prozent hingegen sagen,
            Jagt endlich diesen Deppen raus,
            Da nützt kein Bitten und kein Klagen.

            …….. Ich bin nicht Deutschland

            Da gibt es dieses, unser Land,
            Der Rest der Welt ist hoch empört,
            Wo reisende Behinderte durch deren Anblick wie bekannt,
            Haben Vertretern der „Herrenrasse“ Urlaubsfreuden gestört.
            Zu Hause ging’s dann munter weiter,
            Den Schaden der angeblich erlitten,
            Beauftragt wurden Paragraphenreiter,
            Und erfolgreiche Entschädigung erstritten.

            …….. Ich bin nicht Deutschland

            Das Antidiskriminierungsgesetz wäre ein wahrer Segen!
            Benachteiligte kämen auch zu Menschenwürde.
            Verantwortliche sich dagegen regen,
            Lasst sie weiter buckeln ihre schwere Bürde.
            Zu viel spukt noch rechter brauner Geist,
            Trotz fest verankerter Demokratie
            Oder wie das sonst heißt,
            Kommt auf gar keine Sympathie.
            Ja es ist fürwahr zum kotzen,
            Wenn am heißen fremden Strand,
            Hässlich Fette grinsend glotzen,
            Die Sprache klingt aus deutschem Land.

            …….. Ich bin nicht Deutschland

            Danach lasst uns alle Streben,
            Ganz im Sinn vom großen Fritz,
            Lass jeden, auch den andern leben,
            Erleuchte neu, deutscher Geistesblitz.
            Werde wieder ein Volk der Dichter und der Denker,
            Hilf den Schwachen, Kranken und Armen,
            Schüttle ab das Image der Richter und der Henker,
            Erwarte nicht immer nur für dich allein Erbarmen,
            Wenn Dich ereilt ein kleines Missgeschick.
            Reich und respektiert bist Du, wenn Du gesund,
            Dazu brutal und skrupellos, in unserm Staat das größte Glück,
            Darum darfst Du nie vergessen,
            Der Ausgegrenzte ist der wirklich arme Hund.

            …….. Dann bin ich Deutschland!

            Von: © Frapenero 2006 <<<<<<<<<<<

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