Zur Philosophie des polyphasen Schlafs – Nur noch 2 Stunden am Tag schlafen

Zu einer umfassenden Philosophie gehört natürlich die Einbeziehung des Ganzen. Dabei ist es wichtig, dass wir nicht nur das zeigen, was sich ohnehin schon zeigt, sondern, dass wir das zeigen, was sich gerade nicht zeigt. Das Sein wäre ein solcher Punkt. Ein anderer weniger philosophisch abgehobener Aspekt wäre aber mit Sicherheit auch der Schlaf. Wir wissen wenig über diesen unliebsamen Freund, außer dass wir in der Regel nicht da sind, wenn er da ist. Morgens kommen wir dann zumeist zurück und merken zumindest, dass er unseren Körper in der Weise abgewohnt hat, so dass wir uns erstmal gründlich reinigen müssen. Schlaf hat die Eigenschaft, dass er sich als Phänomen für uns in der Regel nicht zeigt.

Zur Philosophie des Schlafes

Ein wesentliches Strukturmerkmal von Städten und Wohnungen ist dem Aspekt zu verdanken, dass Menschen Rückzugsräume benötigen und ihrer Hassliebe ein Domizil anbieten müssen. Die Ausstattung für Schlaf ist daher ein wichtiges Kriterium (unserem Hassfreund soll ja wohl bei der Sache sein) und so strukturieren wir unsere Wohnungen. (Ich muss allerdings eingestehen, dass ich diesen „Freund“ seit Jahren schlecht behandle und mir oftmals eine Isomatte für ihn als ausreichend erscheint). Städte sind so auch nicht nur aus philosophischer Freiheit errichtet worden, sondern immer auch mit Bezug auf biologische Notwendigkeiten strukturiert. Schlaf bestimmt unsere Gesellschaft tiefgreifend und wir bemerken es nicht, da wir zumeist nicht da sind, wenn der Schlaf da ist. Bei jeder noch so freien Philosophie müssen wir bedenken, dass der Schlaf in der Regel ein Drittel unserer Philosophie und eines bewussten Lebens stiehlt. Das „Ich denke, also bin ich“ hatte nie einen Zugang zu der Phrase „Ich schlafe, also…“ Es ist schon ein unheimlicher Gast, der sich da in unserem Leben und unserer Philosophie ausbreitet:

Die vormalige Grafik bezieht sich auf das Verhältnis unseres Schlafes zu den Wachzeiten während eines Tages, einer Woche, eines Monats oder während eines Lebens (oder während einer Philosophie). In der Regel verpennen wir ein Drittel unseres Lebens.

Ich selbst habe Schlaf immer schon als Form der Zeitverschwendung angesehen. Doch wenn ich mich dann bis in die morgendlichen Stunden durch die Philosophie arbeitete und der Kopf mal zwischen zwei Buchdeckeln oder auf der Tastatur sein Ruhekissen fand (ganz neuerlich schlafe ich auf dem Küchenboden ein), musste ich zu oft einsehen, dass Schlaf eine sehr gute Alternative ist. Dann empfängt einer doch den Schlaf nur um nicht mit seiner Zerklüfftung in der Zerstreutheit allein zu sein. Es ist als, ob wir doch den Schlaf für unsere Philosophie bräuchten, obwohl er doch eigentlich nicht viel dafür getan hat.

Zur Philosophie der Effizienz

Als Philosoph weiß ich, wie wichtig das kontinuierliche Arbeiten ist. Allein durch Kreativität lassen sich Wissenslücken nicht ausgleichen. Auch viele Studien innerhalb der Genieforschung bestätigen, dass die von uns als gemeinhin anerkannten Genies zumeist auch Produktivlinge waren. Mit der Produktivität kommt die Übung und mit der Übung fällt irgendwann ein Meister aus seinem Bett. Mit der Strenge der Lebensführung verbinden wir ja dann auch immer eine Philosophie. Nicht umsonst, denn bis ins 19. Jahrhundert zeichneten sich Philosophen durch eine ungewöhnliche Härte und Weltfremdheit aus, denn zumeist verweigerten sie sich ja den Freuden des Lebens. Philosophie war gleichzusetzen mit Askese. Im Zeitalter der Barphilosophien ist allerdings jede Lebensform Grund genug um sich Philosoph zu schimpfen. Hündisch umlaufen ja die Besserwissertrolle Denkmonumente und markieren alles mit ihrem Erleuchtungsurin. Wie dem auch sei ein Lob der Meinungsfreiheit war auch immer ein Lob der Durchschnittlichkeit (gleich ob der Durchschnitt bei 250 IQ oder 50 IQ liegt). Dass wir Trolle haben, verdanken wir sicherlich einer Intellektualisierung der Gesellschaft und glücklicherweise wissen wir, dass diese auch schlafen müssen.

Mit der Differenzierung unserer Berufsfelder, mit der Profession der Philosophie haben sich auch unterschieliche Regionalphilosophien herausgearbeitet. Seit Jürgen Klinsmann hat ja auch der Fußball eine Philosophie. Gleichwohl erhalten sich die Lebensphilosophien auch ihre asketischen Ressorts. Die Verbesserungsphilosophie von Steve Palina gehört mit Sicherheit dazu (auch wenn er mit seinem halbwissenschaftlichen philosophischen Idealismus der Philosophie nichts gutes tut). Steve ist effizient und macht mehr als effizient zu sein. Warum der bekennende Atheist (Gott aus Systemperspektive zu bedenken, steht nicht in seinem Sinn) die Mühen der systematischen Verbesserung des eigenen Lebens auf sich nimmt, lässt sich nur schwer erschließen. Vielleicht verbessert er sich nur, um sich zu verbessern. Er ist Frühaufsteher, Veganer, Work-Aholic, Moralist und seit schon längerer Zeit Polyphasenschläfer, was in den USA sogleich den denkwürdigen Titel „Übermenschenschlaf“ erhält:

 

6 mal 20 Minuten am Tag und die REM-Schlafphase sorgt für Konzentration. Tiefschlaf, das ist die beeindruckende Einsicht brauchen wir nicht. Wenn wir also den Weg zum Übermenschenschlaf antreten, so werden wir bald das Bett aus unseren Schlafgefilden verbannen können. Der Freund hat nur noch ein Besuchsrecht, aber wohnen darf er bei uns nicht mehr.

(Weiterführende Informationen zur Effizienzphilosophie eines Steve Palina sind zugleich bei der deutschen Übersetzung von Steves Blog zu finden: http://assets0.stevepavlina.de/polyphasenschlaf-wie-man-nur-2h-taeglich-)

Ich halte viel von solcher Effizienz, denn es gibt mehr Lebenssinn. Wenn wir dann noch so effizient wären und Geschlechtsverkehr tatsächlich nur zur Fortpflanzung einsetzen würden, dann würden wir in diesem Universum noch einiges bewegen können. Nun gut, ihr bemerkt, dass mich ein gewisser Freund von der sinnvollen Erstellung dieses Beitrages abhalten will. Ich werde mich wohl besser nicht zu der Frage der Sexualität äußern und den letzten Satz ziehe ich zurück. Den zweiten Teil zur Philosophie des Schlafes muss es also morgen geben.

Ich weiß, dass viele von euch, an dem Effizienzgebären stören? Vielleicht können wirfroh sein, dass der Schlaf die Menschen zumindest ein Drittel ihrer Zeit von der Welt abhält. Vielleicht würde ja die Effizienzphilosophie letztlich ihr Gegenteil bedeuten: Nur noch mehr Menschen, die Welt mit ihrer Selbstmörderparty bis zur Apokalypse verwüsten. Die Liebe zum Menschen bedarf wohl zunächst noch einer eigenartigen Negation ihrer selbst im Menschen. Dazu sind wir wohl noch nicht in der Lage und daher werden viele auch nicht Steve Palina vollends verstehen.

Norman Schultz

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Die Grundfrage der Philosophie – Nichts als die Wahrheit

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Freier Blick auf die Wissenschaft? (CC_Foto: jef safi (writing) Joël Evelyñ & François

Worum geht es in der Philosophie?  Um den Sinn des Lebens? Um versponnene Gedanken?  Um irgendwelche kuriosen Betrachtungen von irgendwelchen Phänomenen? Geht es um Spinnerei? Die Philosophie selbst hat einen merkwürdigen Ruf bekommen, als schauen wir uns mal an, worum es ganz basal eigentlich geht.

Im Grunde ist es ein ganz simples Programm, was die Philosophie verfolgt, aber seitdem sich jeder, der mal den Mund aufmacht, einen kleinen Lebensweltphilosophen wie ein Schoßhündchen in sich hält, ist das trockene Geschäft zu einer alkoholgetränkten Barbelustigung geworden. Philosophie ist mittlerweile als Barphilosophie verspottet. Nunja eine etwas negative Betrachtung, aber der verächtende Blick auf die Philosophie vieler anderer Wissenschaften  und Menschen zeigt nur deren Ratlosigkeit im Umgang mit den letzten Fragen. In der Philosophie geht es tatsächlich um die letzten Fragen, die sich Menschen stellen können und derer sind es drei: Die Welt, die Seele und Gott. Diese drei Fragen enthalten zugleich die philosophisch höchsten denkbaren Begriffe. Diese Fragen werden in der Philosophie allerdings nicht lapidar dahinbeantwortet, sondern zunächst muss die Philosophie die Möglichkeit ihrer Beantwortung aufzeichen. Primär geht es daher in der Philosophie um Wahrheit. Wahrheit, was heißt das nun?

Skeptizismus
Es gibt keine Wahrheit, so lautet das Credo des unreflektierten philosophischen Skeptikers. Allerdings sollte er folgenden philosophischen Gehalt berücksichtigen: Ich bin Skeptiker, das allein schon sollte mich skeptisch machen. Natürlich lässt sich der konsequente Zweifel, die konsequente Skepsis nicht durchhalten, vor allem dann, wenn sie zur Anwendung auf sich selbst kommt. Diese Erfahrung musste schon der Philosoph Descartes machen. Der Philosoph Descartes versuchte daher das nicht mehr kritisierbare Zentrum jeder Philosophie in Ausweis zu bringen und reflektierte auf die Voraussetzung allen Denkens, nämlich das Denken. Sein Satz: „Ich denke, also bin ich“. Gehört wohl zu den Erfolgsschlagern der philosophischen Branche und könnten seine Nachfahren Tantiemen für diesen Satz nehmen, wenn dieser irgendwo zitiert würde, sie wären Milliardäre.

Nun mag Descartes philosophischer Satz „Ich denke, also bin ich.“ in gewisser Weise kritisiert werden, doch worauf sich der Philosoph hier zunächst stützte, war die Frage des konsequenten Selbstzweifels. Ich zweifle, also muss etwas Zweifelndes in mir sein. Der Skeptiker muss sich auf ein uneingeschränktes Set von Zweifelsinstrumenten zurückwerfen lassen. Er kann nicht an allem zweifeln, denn dann würde er selbst das Zweifelnde in sich unterdrücken. Dieses ist in neuerer Philosophie bekannt geworden als performativer Selbstwiderspruch und zu einem der wichtigstens Gelenkargumente für die Philosophie geworden. Doch was sollte das  Instrument des Zweifelns sein? Etwa die Naturwissenschaft mit ihrer phänomenalen Interpretation der Welt? Sicher die Naturwissenschaft bietet uns gute Methoden, aber sie erkennt nur die Symptome des Seins, nämlich das Seiende. Die Seinsfrage, die Frage nach der Ursache des Ganzen bleibt bestehen und lässt sich nicht auf die Dinglichkeit einer einzelnen Erscheinung reduzieren. Das erste des Ganzen ist nur im Denken zu finden. Was das Ganze also? Diese überkomplexe Frage würde mit ihrer Dynamik einen Hebel der Langeweile ansetzen und die Abgründe der Buchstabenphilosophie führen. Der Streit währt in der Philosophie Jahrtausende und ist stets in unverständlicher Sprache verblieben. Das Ganze so müssen wir auch als Philosophen einsehen, kann nicht definiert werden. Denn eine Abgrenzung des Ganzen als Etwas würde seinem Ganzen nicht gerecht werden.

Philosophischer Crashkurs Idealismus
Gut, das ist also ein Crash-Kurs des modernen Idealismus‘. Skepsis muss begründet sein lautet das Forderung. Skepsis kann nicht im luftleeren Raum beginnen, sondern gründet sich immer schon auf nicht mehr kritisierbare Voraussetzungen. Was diese Voraussetzungen sind, ist meines Erachtens die Grundfrage der Philosophie und der Wissenschaften überhaupt. Wer hier beginnt, der betreibt ernsthafte Philosophie. Was sind die Ursprünge meines Wissens und vor allem die sicheren Gründe des Wissens über mein Wissen. Ich kann verraten, dass die Ergebnisse nicht viel sind. Andererseits gehen die Philosophen auch schon lange nicht mehr so weit, allein zu behaupten, dass sie nichts wüssten. In der Skepsis nimmt ein sogenannter transzendentaler Idealismus seinen Ausgangspunkt.

Ich weiß was, was du nicht weißt: Ich weiß, dass du nichts weißt

Na gut, reihen wir uns kurz in die Schlange der Interpreten zu Platons Sokrates ein. Damit bin ich dann auch nur eine Fußnote in seinem philosophischen Werk. Also: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Dieser Satz setzt eine Verbindung eines Wissenden und eines Nichts voraus. Wie können wir dieses Nichts aber mit einem allgemeinen Anspruch des Wissens verbinden?

Wie Hegel schon erkannte, kann wahres Wissen nicht in einer sinnlichen Gewissheit bestehen, sondern kann allein im Übergang sich ausschließender Momente, das heißt im Widerspruch sein. Wahrheit ist die Dialektik sich beständig widersprechender Erkenntnisse und so die Bewegung und Einkehr in ihren Grund. Platons Sokrates lebt damit nur das notwendige Paradoxon, wenn er spricht, dass er doch nichts wüsste und damit etwas wüsste. Wir sind damit der widersprechende Moment des Wissens und Unwissens zugleich. Ich denke, also muss ich zweifeln. Woran aber zweifeln? An allem, soviel muss immerhin schon sein. Allein mein Nichtwissen verweist auf Zu-Wissendes.

Leider gerät die Philosophie mit ihrer Grundlegung der Wissenschaften überhaupt immer etwas in Vergessenheit, vor allem wenn Naturwissenschaftler sich unterhalten. Die Grundfrage nach der Wahrheit unseres Wissens bleibt aber als Frage nach dem Fundament der wissenden Naturwissenschaften bestehen. Diese versammeln die Schlüsse aus den Phänomenen, die ihnen begegnen. Dabei vergessen sie leider auch noch die Frage der philosophischen Ethik. Das soll hier aber nicht eigens Thema sein und daher möchte ich nur die Seite der Skeptiker empfehlen, für alle, die ab und and esoterische Phänomene und wilde Spekulationen hinterfragt sehen wollen: http://www.gwup.org/. Für weitere philosophische Betrachtungen könnt ihr gerne meinen Newsletter abonnieren oder vielfältigen anderen Möglichkeiten zum Abo nutzen. Erschöpfend war dieser Beitrag nicht, dass aber die Philosophie hauptsächlich nach der Wahrheit such, um dann die letzten Fragen einzugrenzen, dürfte klar geworden sein.

Gruß Norman.

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Philosophie mit Roboterdenkern und Universalsprachen verabschieden

Tribute To Guitarist Pat Martino - Scan/Edit 03 07

Pimp my Brain (Effizienzphilosophie fürs Gehirn) (CC_Foto: Mikey G Ottawa)

Mein philosophsiches Plädoyer für Hollywood lässt sich also fortführen. Wer einmal in Kalifornien war, der weiß, dass die dortigen Menschen viel Philosophie getankt haben, um diese in alle Bereiche auch tatsächlich einfließen zu lassen. Philosophie ist dort zwar elitär, aber andererseits wollen auch alle elitär sein, ohne dabei abzuheben. Ein vierstelliger IQ wie im Film „Ohne Limit“ wäre mit Sicherheit auch in der Philosophie von großem Nutzen. Die Frage ist nur wofür.

Wir wissen, dass in der Philosophie nicht der scharfe Verstand, die Einheit unseres Wissens gibt, sondern die Vernunft in ihrer dialektischen Aufdeckung durch die Geschichte hinweg. Verstand ist immer ein bisschen weniger als das gesamtphilosophische Vermögen unserer Vernunft. Unser Verstand allein begreift nicht, warum es sinnlos ist, über das Vorher des Urknalls nachzudenken. Unser Verstand begreift nicht, dass er immer nur mit den Verstandeskategorien über sich selbst philosophiert und dabei unvermeidliche Fehler immer und immer wieder produziert.

Diese Einsicht der Philosophie geht auch unserem Protagonisten in „Ohne Limit“ ab. Die philosophische Einsicht durch diesen Filmverbleibt wohl nun darin: Auch Intelligenz schützt offenbar nicht vor Dummheit. Anstatt über die Fragehorizonte der Philosophie zu den wirklichen Fragen aufzusteigen, versucht der Protagonist sein soziales Umfeld zu kontrollieren und dies ziemlich naiv. Einer fragt sich, warum er, wenn er eine Sprache nur vom Hören lernen kann und Klavier in Perfektion innerhalb weniger Tage erlernt, nicht sofort die Pillen klont, dafür aber einen ahnungslosen Laboranten beauftragt. Einer fragt sich, warum er so komplizierte Wege gehen muss, um Geld zu verdienen. Einer fragt sich, warum er all (ich betone ALLE seine restlichen Pillen) in einer wahnsinnig geheimen Manteltasche aufbewahrt und diesen Mantel aus der Hand gibt. Peinlich dämlich zeigen sich die auf Superintelligenz gepimpten Drogenabhängigen in zu vielen Situationen. Die Schlussfolgerung lautet daher: Intelligente Menschen sind auch nicht unbedingt intelligenter.

Ach, aber für eine gelungene Dramaturgie braucht Hollywood immer noch das Blöde und wer eine ausgepfeilte Philosophie lesen will, der muss sich wohl immer noch mit den Philosophen Platon, Aristoteles, Kant, Hegel und Heidegger herumschlagen. Wenn dann aber einer akzeptiert, dass Superintelligente auch ziemlich blöd sein können, dann ist der Film aufgrund seiner grandiosen Idee ein philosophisches Highlight. Zudem motiviert der Film zu eigenem Nachdenken.

Philosophie des Verstehens

Was also können wir mit unserem Gehirn da oben anfangen? Die Philosophie fragt ja nach den Grenzen unserer Erkenntnis. Nun ich bin der Überzeugung, dass wir allein sehr wenig können. Das meiste Wissen ist soziales Wissen, was sich über eine lange Geschichte in unseren Sozialsystemen angesammelt hat. Dann kommt der Moment in der Menschheitsgeschichte, da verstehen wir unser Gehirn. Nach all meine Recherchen bin ich skeptisch geworden, dass einzelne Erleuchtete das Welttheater betreten und uns die Philosophie gründlich darlegen; es bedarf einer gemeinschaftlichen Philosophie des Verstehens. Die Hermeneutik hat ihr schon einiges geleistet.

Natürlich ist es Quatsch, dass wir nur 20% unseres Gehirns nutzen und es möglich wäre, mehr davon in Gebrauch zu nehmen. All die esoterischen Heilsversprechen der 90er sind mächtig überzogen. Zum Genie gehört vor allem eins: Arbeit. Der Philosoph Kant beispielsweise hat auch nicht mehr als eine ungeheure Verdichtung vorangegangener Philosophien erreicht. Ein hellerleuchtetes Gehirn, das bewirken eigentlich nur chemische Waffen, die die Dimension von epileptischen Anfällen bei Weitem übersteigen. Arbeiten könnten wir damit nicht mehr, sondern würden uns womöglich im Schmerz oder Autismus verlieren; uns zu Rechenidioten oder blindwütigen Sammlern verformen.

So wie nach den richtigen Meditationstechniken geforscht wird, forschen Forscher schon lange nach der richtigen Chemokeule zur Intelligenzerhöhung. Bei Youtube gibt es dann interessante Dokumente, wie CIA-Mitarbeiter auf LSD auf Bleistifte starren und einfach mal ihren LSD-Flash schieben. Die Gedanken zur Aktivierung unseres Gehirnpotenzials übersehen folgenden Aspekt: Die Reduktion auf das Wesentliche im Gehirn gibt Orientierung, nicht die Nutzung aller Synapsenenden.

Zu Computern in unserem Gehirn.

Dennoch glaube ich, dass bald schon Computer unsere Künste in der Philosophie überragen werden. Computer werden intelligenter und ich sehe keinen Grund anzunehmen, warum sie nicht irgendwann den Leistungen des Menschen auf allen Ebenen gleichziehen und sie dann überholen. Für mich stellt sich eher die Frage, ob die Rasse der Menschheit sich in Selbstkränkung zurückzieht oder den philosophisch-moralisch fragwürdigen Versuch der Bioaugmentation unternimmt. Wenn wir tatsächlich auf die Überlegenheit der Computer setzen, die uns positiv nützen werden, dann werden wir uns vielleicht auch – als dritte Option – irgendwann wie Zootiere selbst halten, weil wir die Beherrschbarkeit der Welt durch Computer selbst nicht mehr durchdringen können. Computer werden uns womöglich mit undurchdringbarer Rechenpower vorgeben, was wir nicht verstehen könn. Vielleicht liegt aber auch eine positive Hoffnung aus dem Dialog von Mensch und Maschine lernen zu können. Der Philosoph Heidegger versuchte dies ja als das Wesen der Technik zu bestimmen.

Zu den philosopischen Grenzen der Sprachen durch Superintelligenz

Als ich mich fragte, was ich harmloser Philosoph wohl mit der Superpower eines Megabrains machen würde, kam mir der Gedanke, dass ich einige Sprachen lernen würde. Dann fragte ich mich, wie wohl eine Gesellschaft aussehen würde, in der alle diese kleinen Pillen schlucken würden. Welche menschlichen Horizonte des Verstehens könnten wir dann durchbrechen? Wäre dies der nächste Schritt in unserer Wissensexpansion?

Mit diesen Intelligenzpillen könnten wir wie im Film „Ohne Limit“ Sprache erlernen, indem wir sie einfach nur hören. Dies würde letzten Endes bedeuten, dass wir überhaupt keine Sprache mehr lernen müssten, weil wir uns jeder Zeit sofort auf die Sprache des anderen einstellen könnten. Dies wäre wohl die größte Hoffnung der Philosophie endlich zu einer Universalsprache durchzudringen, die nur noch das Sagbare und Verstehbare enthält und alles Geschwätz in sich dialektisch verabschiedet. Die Folge wäre, dass wir keine Sprachen mehr hätten, sondern einfach nur noch miteinander sprechen müssten.

Fremdsprachen zu erlernen, wäre ab sofort kein kommerziell rentables Geschäft mehr. Dennoch scheint sich der Studiengang der Fremdsprachen auch ohne Wunderpillen zu verabschieden. Da ich gerade viel Zeit investiere, um Chinesisch zu lernen, schockiert mich etwas folgendes Video:

Douglas Adams Bubblefish lässt grüßen. Dieser kleine Fisch wird im Ohr der Anhalter in der Galaxis eingesetzt und übersetzt fortan alle Sprachen. Mit Google brauchen wir also bald keine Ultraintellegenz mehr, weil auch hier uns ein Computer das ganze intellektuelle Gedöhns einfach mal abnimmt. Irgendwann fangen Computer auch an für uns zu denken und zu philosophieren. Die Frage ist nur, was ich dann als armer Philosoph dann machen soll, wenn Philosophieroboter mir meine Professorenstelle klauen. Wenn die Kränkung durch Technik zu tief geht, muss ich wohl auch Komiker des seicht Menschlichen werden, soll heißen, ich werde Esoteriker werden müssen.

Norman Schultz

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Hollywood und ein bisschen Philosophie – „Real Steel“ – ein neuer Robotermovie

My Transformers Sticker 自製變形金剛貼紙

Die kommerziellen Transformersticker sehen beinah wie ein echter Warhol aus (CC_Bild: damonhendrix)

Mein Philosophieprofessor aus Pittsburgh gab mir mal auf einer Institutsparty zu verstehen, dass er keine Filme schaue und der einzige Film, der ihm gefiel „Mamma Mia“ war. Dies aber auch nur wegen der schönen Landschaft. Entgegen vieler elitärer Philosophen bin ich allerdings dem Hollywoodkino keineswegs abgeneigt.

Natürlich gibt es immer wieder Aufstöhnen, wenn das Medium Film mal einen hochphilosophischen Stoff eben zum Medium Film heruntertransformiert. Troja mag ein solches Beispiel sein. Aber wie sollte auch ein langwieriger, zäher Krieg, der natürlich besser zu Papier zu bringen als zu visualisieren ist, auch mit Detailtreue filmisch erzählt werden? Der Dramaturgie einer anderen Erzählform, die der Film nun mal darstellt, muss doch entsprochen werden. Dies erreichte Troja meines Erachtens, indem der klassische Stoff nachvollziehbar abgewandelt worden ist, ohne aber den Grundgestus zu beschädigen.

Der Witz ist ja dabei, dass das Gehabe von selbsternannten Philosophen zumeist auf keiner Erfahrung fußt. Viele merkten beispielsweise an, dass der Film „Troja“ jawohl etwas sehr frei nach Homers Vorlage wäre, obwohl sie diesen niemals gelesen hatten. Die Kritik ist verfehlt. Gehe ich in einen Film, vergesse ich die Bücher. So sah ich in dem Film „Troja“  auch großartige Momente, die meiner Vorstellung vom griechisch-philosophischen Pathos entsprachen. Der Film ist immer noch einer meiner Favouriten (vielleicht habe ich ihn aber in einem emotionalen Moment auch falsch abgespeichert).

Um es kurz zu machen Hollywoodfilme wirken auf mich oftmals auch als Philosophen inspirierend. Nun bin ich natürlich kein Naivling und wünsche mir vieles in Hollywoodfilmen oftmals anders und ich befürworte keineswegs alle Hollywoodfilme. Ich kann mir auch einige altmodische Streifen mit langsamer Erzähltechnik anschauen, aber Hollywood entspricht zumeist genau meinem Sinn wie sich eine Handlung entwickeln sollte, damit sie mich nicht langweilt. Wie bei anderen Autoren auch, gibt es natürlich in Hollywood viel Ausschuss. Wie es allerdings bei allen großen Genies und Philosophen war, so entschied oftmals nicht der einzelne kreative Moment über den Erfolg, sondern die unablässige Arbeit. Ausschuss gehört notwendig zum Produktionsvolumen der Großen. So gibt es viel Schrott in Hollywood, darunter aber sind die besten Filme überhaupt zu finden.

Was mich philosophisch an Hollywood besonders interessiert, ist der Umgang mit Science-Fiction. Philosophie Roboter und Zukunft faszinieren mich, seitdem ich klein bin. Hier konfrontiert Hollywood oftmals mit moralischen Dilemmata, die wir uns im Alltag noch nicht vorstellen mögen. Eugenik findet ja beispielsweise in kleinen Laboren in Kalifornien statt, haben in ihrem möglichen Ausmaß noch keineswegs das Bewusstsein der Menschheit erreicht. Dies aber schafft Hollywood. Gerade das literarisch belächelte Genre der Science-Fiction nimmt sich dieser philosophischen Stoffe an. Es finden sich technikkritische Machwerke bis hin zu technikoptimistischen Stücken. Einer der platteren Produzenten ist hierfür wohl Michael Bay, der immer wieder mit hirnlosen Actionkrachern aufwartet. Transformers, eine Actionspielfigurenreihe, für die dann eine TV-Serie produziert worden ist, scheint daher für ihn wie gemacht.

Die Philosophie von Transformers

Die Transformers vom Planeten Cybertron sind eine Maschinenrasse, die ihren Krieg auf den Planeten Erde auslagern musste, da ihr Heimatplanet so gut wie zerstört ist. Diese Rasse spaltet sich in zwei Lager, den Autobots, die das Leben an sich schätzen und die freiheitliche Selbstbestimmung verteidigen und den Decepticons, die das Recht des Stärkeren propagieren und das Leben beherrschen wollen. Der Konflikt ist also philosophisch simpel zwischen Gut und Böse bestimmt. Im Hinblick auf die Philosophie gibt es hier sicher bessere Filme. Dennoch ist der übertriebene Pathos mit der Betonung auf die Freiheit kein zu unterschätzendes Erziehungsideal, auch wenn die Lösung der Probleme in der Regel durch Gewalt erreicht wird und sich im simplen Kampf zwischen Gut und Böse erschöpft. Der Kampf für das Gute ist in diesen Heldenepen seit der Neuzeit immer wieder genug Motivation (während es bei den Griechen noch um Dinge wie Ruhm, Ehre oder Eitelkeit und einhergehender Zerrissenheit zwischen den verschiedenen Ansprüchen ging). Vielleicht hat sich auch nach Kants philosophischer Intervention das Gute als Selbstzweck in der Literatur durchgesetzt? Auch die Entdeckung des Guten und Bösen hat wohl eine eigene Kulturgeschichte, die in Transformers einen ihrer Ausläufer ausweist.

Natürlich ist es für die Dramaturgie notwendig, dass gerade das Gute einen aussichtslosen Kampf führt, der eigentlich nicht zu gewinnen scheint. Das Gute allerdings wird ganz philosophisch gegen alle Widerstände verteidigt, da der Selbstzweck nicht den Sieg des Guten voraussetzt, sondern einfach nur die Ablehnung des Bösen bereits als Erfolg begreift.

Ganz aber trifft die Michael-Bay-Philosophie nicht auf den Transformers-„Epos“ zu. Gerade in den Marvelcomics ist Optimus Prime, der Anführer der Autobots und der letztverbliebene Prime, von Selbstzweifeln bestimmt; Selbstzweifel, überhaupt einen Kampf mit den Decepticons führen zu müssen. Die Comicreihe bietet also hier die interessanteren philosophischen Abgründe. Optimus Prime hätte mehrfach den Decepticons das Licht auspusten können, aufgrund der Naivität des Guten in ihm tat er es nie. Gnade ist immer ein Grund, warum die Guten am Ende doch in Teufels Küche kommen. Daher war es wohl sehr schockierend, dass Optimus Prime bereits im zweiten Teil der Transformersreihe von Michael Bays Reihe sterben musste. Doch aber nachvollziehbar: Er hätte ja die Philosophie von Gut und Böse mit seinen Selbstzweifeln gefährdet.

Da der Film nun selbst ein Kassenerfolg war, lag es nah, die Fortsetzungen zu drehen. Wir leben schließlich im Zeitalter der Fortsetzung wie es in der Philosophie schon als postmoderner Charakter der ewigen Wiederholung des Gleichen bestimmt worden ist. Deswegen wurde Optimus Prime dann doch nochmal reinkarniert und steht ohne Selbstzweifel im Kampf gegen das Böse, so dass Michael Bay ihn am Ende auch Megatron (den bösen Obermakker) abschlachten lässt.

Philosophie der Rekombination (Der Film „Real Steel“)

Ab und braucht aber auch Hollywood neues Material. Daher optimiert man schnell alte, erfolgreiche Stoffe. So auch bei dem neuen Film mit Hugh Jackman „Real Steel“. Im Grunde genommen schnell komponiert. Man nehme: Die Oscartragödie um den Unterschichtenaufstiegsboxer Rocky, der den Fallobsttitelkampf gegen Apollo Creed zuerkannt bekommt, damit dieser sich feiern lassen kann.

Hinzu kommt die tragische Geschichte zwischen einem Vater und einem Sohn hinzu, die um ein sportliches Event des Armdrückens herum sich wiederfinden

Nun machen wir aus Rocky einen Underdogroboter im Robotwar im Kampf um den Weltmeisterschaftstitel. Dieser wird ferngesteuert vom erfolglosen, aber ehrlichen Unterschichtenvater, der hierüber seinen Oberschichtensohn von seiner Oberschichtenmutti zurückgewinnen kann und fertig ist der nächste Hollywoodklischeefilm

Gefällt ein solcher Film nun? Ich weiß es nicht. Allerdings finde ich es faszinierend, dass mittlerweile Roboter auch schon dem guten alten Boxhandwerk die Arbeitsplätze wegnehmen. Zumindest aber erreichen diese Roboter, dass Papi und Sohnemann wieder zueinander finden. Hach und kann Klischee denn Sünde sein?

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Philosophie und Grenzen des Zeitmanagement – Zeitdruck im Kopf

Titian - Allegorie der Zeit - Der Januskopf der Zeit

Titian - Allegorie der Zeit - Der Januskopf der Zeit

Nicht nur für Manager ist Zeit von jeher eine Herausforderung, sondern auch für die Philosophie. So merkte der Philosoph Augustinus noch an:

„Was also ist die Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich’s, will ich’s aber einem Fragenden erklären, weiß ich’s nicht.“ – Confessiones lib. 11

Der Philosoph Augustinus verstand damit die Zeit als den nur durch unsere Existenz erfahrbaren Hintergrund aller Welt, der nicht in die Form einer Antwort zu bringen war. Zeit war philosophisch vor allem ein Maß für das göttlich Geschaffene durch Gott, aber nicht ursächlich erklärbar, sondern einfach mit allem da. Für Gott aber waren alle Momente der Gegenwart nichts anderes als Ewigkeit. Diese göttliche Ewigkeit blieb für den Menschen in seiner theoretischen Sprache undurchdringbar. Vergangenheit war damit nur Erinnerung und Zukunft allein Erwartung, Gegenwart jedoch sollte gelebt werden.

Wohin also stürzten diese ganzen Räume, die da in der Zeit hinter uns bisher versanken? Wo ist der Steinzeitmensch heute? Wo befindet sich Augustinus? In einem verlassenen Zimmer hinter unserem Rücken? Ist er noch da, nur in einer anderen Zeit? Ist die Zukunft schon geschehen oder wird sie noch geschehen?

Diese philosophischen Fragen, die auch Augustinus trieben, konnten mich nie wirklich fesseln, da es für diese kaum einen Halt gibt, um mit einer Philosophie weiterzuforschen. Zeit ist die Grenze unseres Seins und Denkens: Der Sinn von Sein, das Woher der Verstehbarkeit von Welt ist Zeit, selbst aber verbleibt die Zeit Nichts. Ein dunkler Fleck in unserer Erkenntnis.

Die Physik mochte naturgemäß diese philosophische Nichtserkenntnis nicht. Dennoch gab auch die physikalische Messbarkeit von Phänomenen schließlich wenig Auskunft über das Wesen der Zeit. Ist Zeit ein unendlich teilbares Kontinuum oder eine Menge von diskreten und isolierbaren Momenten? Der Philosoph lächelte natürlich über die Versuche der Physik aus der Empirie allgemeingültiges Wissen darüber ableiten zu wollen. Wie sollte aus der Erfahrung mehr als Erfahrungswissen, das grundsätzlich fallibel ist abgeleitet werden? Die Physik stieß wieder und wieder an diese Grenze und es stellte sich heraus, dass wir zur Aufklärung des Zeitphänomens zu allererst in uns selbst hineinzuforschen haben. Eine Aufgabe der Philosophie, zugleich aber auch der Streitpunkt, ob die Zeit in uns vorfindbar ist.

Die Philosophie der Zeit

Die Zeit in uns können wir zumindest nicht verleugnen. Die verlebte Zeit zieht den ein oder anderen in allen Gliedern. Er trauert dann einer ungenutzten Vergangenheit hinterher und es stellt sich heraus, dass die Zeit und ihr „Es war einmal“ das Märchen des Lebens ohne Happy End erzählt. In der Philosophie bekannten sich vor allem die Vorlaufenden in den Tod zu dieser Interpretation. Wir wollen die Tragödie der Zeit eigentlich nicht. Wir wollen aus unseren verbleibenden Tagen einen Strom machen, an dem wir in Ruhe unter einem Bäumchen sitzen und zuschauen, was dort alles so herunterfließt. Wir wollen noch einmal auf unserem Weinberg sitzen und der Traube beim Reifen zuschauen. Wir wollen wie der Philosoph Goethe bei Wein und Gesang Frauen Hexameter auf den Rücken zeichnen. Wir wollen Müßiggang in einer Zeit, die keine philosophische Befürchtung mehr zulässt. Wir wollen ein zeitloses Paradies. Im Grunde aber verachten wir die Zeit und wollen damit das nicht, was uns selbst ausmacht, wir wollen uns selbst nicht. Denn ist es nicht gerade der Zeitdruck, der uns zum Handeln motiviert? Würden wir ewig leben, so könnten wir doch auch alles auf Morgen verschieben. Überhaupt etwas zu tun, wäre sinnlos.

Gerade die Mönche versuchen daher gerade mit der asketischen Prokrastination in Professionalität die Sinnlosigkeit soweit zu treiben, dass nur noch das Wesen der Zeit verbleibe. Sie versuchen die Zeit in ihrem treibenden Wesen zuzulassen und sie nicht zu managen. Zeitmanager sind aber in der Regel gegen die Zeit. Diese fruchtlose und realitätsferne Idee der Abschaffung der Zeit beherrscht deren Philosophie. Zeitdrücke entstehen in der Regel aber nur, wenn Dinge wichtig sind. Die Politik kann davon ein Lied singen.

Zeitmanagementphilosophie

Beim Zeitmanagement geht es nicht darum seine Zeit tatsächlich als Zeit zu leben, wie wir erwarten sollten, sondern vor allem darum Zeit zu sparen. Die hohlphilosophische Botschaft des Anfangs lautet dabei zwar stets „Zeit kann man nicht sparen.“ Aber wirklich ernst meint diese Phrase kein Zeitmanagementphilosoph. Natürlich dieses verrinnende Wesen der Zeit, das sich noch durch jede Sanduhr als feiner Sandstrahl hindurch schneidet, dieses zarte Pflänzchen der kindlichen Entwicklung, dieses ausgeprägte Geäst in den Falten des Alters, nein dieses kann nicht in der modernen Sparmentalität an Zeitbörsen angelegt werden, aber dem Zeitdruck positiv begegnen tun auch sie nicht. Statt Zeitsparer werden wir zu Zeitfahrern, die Welten jagen. Was also empfehlen uns die Gurus dabei in aller Regel? Soviel wie möglich, so schnell wie möglich machen.

Was ist jetzt aber eigentlich mein philosophisches Problem? Ich habe natürlich nichts dagegen seinen Alltag zu strukturieren und zu takten und halte dieses Vorgehen oftmals für sehr sinnvoll. Steve Palina ist ja hierin ein Experte. Nach seiner Sicht muss er alles schneller machen. Schneller Zähneputzen, schneller kochen, schneller Schnürsenkel binden, schneller lesen und schneller leben (?).

Problematisch an den meisten Theorien ist jedoch zunächst, dass diese vor allem ein Schlachtfeld um die Gunst der Manager darstellen. Angebliche Gurus wie beispielsweise Seiwert nehmen für ein Wochenendseminar gerne 2000 Euro pro Teilnehmer (eine Auseinandersetzung mit einer Professorin dazu unter meinem Beitrag zu Daniel Kehlmann und die Grenzen des Lesbaren). Hier aber hört der Spaß auf, denn was dort verkauft wird, ist zumeist nichts weiter als Gewäsch ohne empirische Datenbasis. Diese Zeittheorien kann jeder entwickeln, aber sind diese durch Studien belegt? Nein. Doch ungeachtet dieser empirischen Mängel ist mein Problem wiederum ein anders.

Wie auch mit meinen Beiträgen zum Schnelllesen dargelegt, ergibt es oftmals wenig Sinn sinnvolle Dinge schneller zu tun. Die Geschwindigkeit unseres Verstehens gibt den Weg vor und wir sollten uns vor allem an die schwierigen Dinge heranwagen, dort aber spart sich dann kaum mehr Zeit, weil jeder Denkschritt ein notwendiger wird. In der Philosophie belohnt sich gerade die sorgsame Langsamkeit und der übertriebene Selbstanspruch auch noch das vertrackteste Problem auseinanderzuklamüsern. Aber auch die Effizienz ist nicht mein Punkt.

Es mag sein, dass wir manche Dinge schnell erledigen müssen. Ein Zeitmanagementseminar setzt aber voraus, dass der Sinn unserer Zeit bereits bestimmt ist. Und hierin liegt das wesentliche Problem. Vielen Menschen haben kein Zeitproblem, sondern stecken in einer Sinnkrise. Genaugenommen steht die gesamte Menschheit in dieser Sinnkrise, aber dazu später mehr. Vielmehr bedarf es daher vor jedem Zeitmanagementseminar der noch viel wichtigeren Frage, inwiefern wir an uns arbeiten wollen und inwiefern wir diese Arbeit wollen. Zeitmanagement würde viel eher einen philosophische Ethos voraussetzen. Stattdessen bringen wir nicht der Menschheit bei wie der Zeithorizont für alle gerecht nach philosophischer Maßgabe eines guten Lebens (Ethos) gestaltet wird, sondern vor allem wie wir Dinge schneller machen als andere. Wenn dann ein Manager 2000 Euro für so ein Seminar ausgeben kann, während andere nicht mal 500 Euro im Monat zur Verfügung haben, dann haben wir tatsächlich ein Problem. Wir wäre es denn, wenn wir die Zeit aller Individuen erschöpfend gebrauchen würden und dann auch noch für sinnvolle Dinge? Dies würde auch bedeuten, dass die Zeit eines jeden Menschen etwas wert ist und nicht nur die des Managers, der es sich leisten kann. Ressourcen verschwenden wir also nicht mit unserer Zeit, sondern damit, dass wir vor allem eins nicht sind: gerecht.

Die Zeitersparnis treibt derweil merkwürdige Blüten. Vor allem von Möchtegernerfolgreichen lässt sich da einiges von Geld abknapsen. Folgendes Video soll uns also auch helfen, schneller durch das Leben zu eilen.

Steve Palina hat hierzu einen „bemerkenswerten“ Artikel geschrieben: http://www.stevepavlina.com/blog/2011/04/watch-online-videos-in-half-the-time/. Obzwar ich Steve bewundere, so frage ich mich doch, wo er mit seinem prinzipiellen Atheismus am Ende eigentlich landen möchte. Zu dem Video selbst frage ich mich, warum es nicht schon im Zeitsparmodus versendet worden ist. Meiner Auffassung sind Videos, die sich im Zeitsparmodus anschauen lassen, zumeist nicht der Mühe wert, sie zu schauen.

An und für sich ja ist das wunderbar, habe ich doch selbst schon zu viele Filme im Modus der Langeweile verbracht und ich hätte sie vorspulen sollen. Wohl aber wäre die sorgsame Auswahl des Gelabers eher angebracht gewesen als diese Effizienzvorgaukelei. Videos sind doch ohnehin nur eine geringe Informationsquelle, die vielleicht in Phasen mangelnder Konzentration angebracht wäre. Wenn ich etwas jedoch wirklich tiefgründig philosophisch recherchieren will, dann muss immer noch das altmodische Buch herhalten. Aber wie gesagt, um die Formen der Effizienz geht es nicht. Wir haben in unserer Gesellschaft ein ganz anderes Effizienproblem, das tief in eine philosophische Ethik zurückgreift. Vor allem das philosophische Gerechtigkeitsproblem, dass wir uns als Menschheit in einer Sinnkrise befinden und offenbar Erfolg bedeutet, das Falsche zu tun (nämlich luxuriös Ressourcen zu verbrauchen), dies sind die Probleme die wir als erstes bedenken müssen. Wofür sollten wir denn alles immer schneller tun? Für Wein, Weib und Gesang, um Frauen den Hexameter auf den Rücken zu zeichnen? Nun letztlich weiß ich es auch nicht, aber das vom Philosophen Apel transzendental abgeleitete Kriterium das Überleben der Menschheit zu sichern, erscheint mir als erste notwendige Tat, Zeit auch für andere Generationen zu gewinnen und nicht nur für uns selbst.

Doch auch der Aspekt der Meditation in der Zeit kann eine Rolle spielen. Da wir ohnehin für die falschen Dinge Zeit sparen, müssen wir auch mal fragen, ob Prokrastination wirklich so schlimm sei. Das folgende Video zeigt uns, dass die Zeithygiene uns letztlich nur von der eigentlichen Zeiterforschung, wie sie die Philosophie seit den Mönchsriten verfolgt, abhält.

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Die Philosophie und die Rechengenies – von Zahlenbänder und Recheninseln

Wir hören den philosophischen Zauber eines scheinbar unzertrennlichen Zahlenbandes, das am Gehör entlang rast. Ein Zahlenkaninchen, das der Magier aus dem Hut, aus seinem Gehirn, aus einer Philosophie des Ganzen hervorzaubert. Rüdiger Gamm einer der Savants, die keine nennenswerten autistischen Defizite aufweisen. Dennoch war er als Rechengenie schlecht in der Schule. War er unterfordert?

Der philosophische Sinn unserer Grenzleistungen

Seien wir mal ehrlich: Was bringt uns das Kalenderrechnen, das heißt wie Gamm zu jedem beliebigen Datum den passenden Wochentag zu wissen? Was bringt es uns, in die Dimensionen der Zahlen vordringen zu können? Im Gehirn hat er Ergebnisse von 200.000 Zwischenlösungen gespeichert, nur was würde uns diese Rechenausstattung wirklich nutzen? Für eine Philosophie Platons wären es Schattenspiele an der Wand, ohne zu erkennen, dass die Sonne im Rücken noch überhaupt nicht erkannt worden ist. Die Genies können daher nur Philosophen sein, die so zum Beispiel versuchen den Seinsgrund der Mathematik zu entbergen. Dieses philosophische Unterfangen ist wohl der eigentliche Mount Improbable, zum Rechengiganten aufzusteigen hingegen, heißt doch gleichzeitig zum Zahlenidioten zu werden, der womöglich den philosophischen Bezug zum Ganzen verliert.

Der Rechenidiot ist eine Insel der menschlichen Naivität, die auf einem Zahlenmeer schwimmt. Er ist Sklave einer entkoppelten, inneren, unnachgiebigen Welt des Rechnens, ein beständiger innerer Rechenschieber, der das Leuchtfeuer seiner Neuronen im Glanz der Mathematik nicht aufhalten kann. Philosophisch besehen müssen wir uns daher keinem Zahlenreich unbewusst ausliefern und nur mit der Unendlichkeit des Rechnens innerlich möblieren. Wir wollen doch philosophisch mehr sein als die sturre innere Notwendigkeit der Rechenregeln in uns zu erforschen. Gewiss mit den Primzahlen kommen gewisse Zahlengeheimnisse in unsere innere Zahlenwelt und allein das System der Dekadik bringt uns einen Schleier der Zahlenmystik, aber auch das sind nur Schatten an den Wänden der Welt und keine Philosophie. Es geht natürlich um mehr als nur um das Rechnen.

Es heißt hinter jedem Phänomen versteckt sich die Welt der Zahlen, aber könnte es nicht auch genau umgekehrt sein, dass die Phänomene (Phänomene sind philosophisch das nur Erscheinende) uns die Welt der Zahlen zufällig liefern, die wirkliche Welt aber eine ganz andere ist.

Die Welt des Rechnens als realerer Teil einer doch manchmal ausufernden abstrakten Mathematik lässt uns nach diesen Zahlen auch in der Wirklichkeit suchen, aber sind Zahlen real? Ist alles Zahl wie es Pythagoras noch philosophisch mutmaßte? Dies wäre die philosophische Frage und dies wäre Philosophie.

 

Fotothek df tg 0000047 Architektur ^ Mathematik ^ Allegorie ^ Waage ^ Vermessungsinstrument ^ Messzirke

Kein Gedankenmessi, sondern die Ordnung des philosophischen Geistes soll uns leiten!

Ich bewundere Gamm für seine Fähigkeit und wünschte mir auch diese enormen Fähigkeit, aber was würde ich dann als Philosoph tun? Draußen die Blätter an den Bäumen zählen, die Muster der Tapeten genau kennen? Würde es mir nützen, mich erfolgreicher im Beruf und Privaten machen? Würde es der Menschheit auf ihrem Weg in die Demokratie und Gerechtigkeit nutzen? Auf der Spur der Genies also fragen wir, was uns denn wirklich nützt, denn verschrobene Spezialbegabungen gibt es in Hülle und Fülle. Ich frage stattdessen, welches Genie ist wirklich als Genie zu bewerten und da glaube ich, warten wir noch auf die richtigen Philosophen. Der Maßstab der Nützlichkeit gilt hier natürlich auch als problematisch. Denn es heißt auch bei Philosophen immer wieder, wir interessieren uns in den Wissenschaften für die Dinge ohne Grund  und aus purer Neugier. Dieses sei das geheime Band, das alle Wissenschaften zusammenhält. Neugier halte gegen die Nützlichkeit her.

Ist das aber philosophisch schon plausibel? Denn wenn ein Mathematiker behauptet, er interessiere sich zunächst für Formeln aus purer Neugier, so glauben wir doch, dass diese Form seines Interesses höher zu bewerten ist als das Interesse des alten Ehepaars, das in ihren Vitrinen Tassen und Teddybären sammelt. Wir bewerten den Mathematiker höher als den Idioten, der die Schmelzpunkte aller Materialien auswendig lernt. Und wenn uns jemand erklärt, er wolle für läppische 30 Milliarden etwas über den Ursprung des Universums in Erfahrung bringen, würde uns aber im gleichen Atemzug versichern, dass dieses uns niemals etwas nützen würde, warum sollten wir diese Ausgaben tätigen? Mir würden Unmengen an Projekten einfallen, die ich unterstützen könnte. Wir wollen doch keinen Gedankenmessis, die jeden Gedanken, weil sie sich mit anderen verknüpfen abspeichern. Wir wollen die Ordnung aller Teile in einem Ganzen und dies ist Philosophie. Letztlich ist es also nicht Neugier, sondern der höchste Seinsgrund, der uns treibt.

Da wir als Menschen aber nur begrenzte Zeit haben, wäre es ein verfehltes Leben, wenn sich herausstellen würde, das unsere gesamte Rechenschieberei nur das gleichsam ästhetische Werk von emsigen Ameisen war, die einer nie gesehenen Königin gedient haben. Wer wollen wir also sein? Diese philosophische Frage steht in Kontakt zu unserem täglichen Handeln. Es ist unsere eigene Grenze, denn wir müssen uns fragen, was wir mit unserem Leben tun wollen, weil wir nur begrenzte Zeit haben. Dies ist auch eine philosophische Frage nach dem Ganzen. Der Sinn des Seins liegt in der Zeit, die wir haben. Und nach diesem Maßstab müssen wir auch das Genie bewerten. Denn sinnlose Fähigkeiten gibt es überall, welches sind aber die Fähigkeiten und Innovationen, die die Menschheit wirklich braucht? Hier lautet meine Antwort: Wir brauchen Philosophie!

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Philosophie und der Hunger – Ist Welthunger ein überschätztes Problem? (Teil 1)

Philosophie und Hunger warum sollten diese beiden „Sachverhalte zueinander passen? Nun die Philosophie beschäftigt sich mit den Grenzen unserer Erkenntnis. Wenn es stimmt, dass die Grenzen unserer Erkenntnis in einer philosophischen Frage, nämlich in der Frage „Was ist der Mensch“ verborgen liegt, dann liegt es unter anderem nah die existentiellen Bedrohungsszenarien aufzusuchen und ihren Durchstoß zur so genannten philosophischen Existentialität zu untersuchen. Wie bedroht der Hunger uns Leben und wie erlangt er dadurch philosophische Bedeutung? Gerade für Asketen spielte diese Möglichkeit der philosophischen Selbstzurücknahme immer wieder einen Weg in die philosophische bis religiöse Erkenntnis. Bevor wir diesen philosophischen Weg allerdings gehen, möchte ich zunächst das Problem des Hungers überhaupt betrachten und zeigen, dass wir in unserer Gesellschaft tatsächlich den Hunger zunehmend besiegen.

Hunger als philosophisch-existentiale Bedrohung
Hamsun schreibt in seinem Roman „Hunger“:

„Ich hatte es ganz deutlich bemerkt, immer wenn ich längere Zeit hungerte, war es gleichsam, als rinne mein Gehirn langsam aus dem Kopf und als würde er leer. Das Haupt wurde leicht und abwesend, ich fühlte seine Schwere nicht mehr auf meinen Schultern, und ich hatte das Gefühl, dass meine Augen allzu weit geöffnet glotzten, wenn ich jemand ansah.“

In dem Roman „Hunger“ verfolgt der Leser den Bewusstseinsstrom eines Mannes, der unter der psychischen Belastung des Hungers, um ein Leben in Würde kämpft. Der Roman lehrt: Es mag sein, dass einige elegante Männer durch die Welt spazieren. Der Stil zeigt sich aber nicht darin, dass einer sich einkleiden kann, wie es ihm mit unermesslichen finanziellen Möglichkeiten beliebt, sondern, dass er mit der Armut sich noch die entsprechende Würde in einer umfassenden Philosophie zu geben weiß.

Philosophie und der Wahnsinn des Hungers
Natürlich gilt dieses philosophische Gebot der Würde nicht absolut. Als am 20. November 1820 der Walfänger Essex von einem Pottwal gerammt wurde und schließlich sank, begannen die Matrosen, die sich auf kleinen Walfangbooten gerettet hatten, nach mehreren Wochen die ersten Toten zu verspeisen. Bald schon losten die halb verhungerten Seeleute aus, wer als nächstes getötet werden würde. Als sie schließlich von einem anderen Walfänger gerettet wurden, heißt es:

„[D]ie Haut mit Geschwüren übersät, nagten die Schiffbrüchigen mit hohlwangigen Gesichtern an den Knochen ihrer toten Kameraden. Selbst als schon die Retter herbeieilten, wollten sie nicht von ihrem grausigen Mahl lassen.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Essex_%28Walfangschiff%29)

Es steht uns nicht zu, ad hoc über dieses Verhalten philosophisch-moralisch zu urteilen. Die Entscheidung ist die Wahl zwischen Pest und Cholera, entweder elendig sterben oder menschenunwürdig überleben. In der Philosophie heißt es, insofern bei einem Schiffsbruch noch ein Stückchen Holz im Meer treibt und dieses Stückchen Holz nur einen tragen kann, dass jeder das Recht hat, um sein Leben gegen Andere zu kämpfen und so ist es nicht nur philosophisch, sondern auch in unserer Rechtssprechung. Ich erspare dem Leser hier weitere kannibalischen Beispiele, möchte aber anmerken, dass aufgrund solcher Einsichten auch zum Tode Verurteilte rückwirkend begnadigt worden sind. Vorrangig zeigen uns diese Beispiele zumindest philosophisch, dass Hunger den Menschen zurückverwandelt in das Tier, das er ohne die Sicherheit der Kultur wäre. Der Hunger treibt zurück in den Instinkt. Ob weise Philosophen, die ihren Instinkt unter Kontrolle hätten, sich bei einem Schiffsbruch aber geschickter verhalten würden, ist unklar. Womöglich würden Sie darauf bestehen, dem anderen das letzte Stückchen Holz zu überlassen und im endlosen Disput darüber, wer denn nun das Stückchen Holz nehmen solle, ertrinken.

An welche philosophischen Grenzen und der Hunger treibt: Das Floß der Medusa (Le radeau de la Méduse) von Théodore Géricault Quelle: wikimedia

An welche philosophischen Grenzen und der Hunger treibt: Das Floß der Medusa (Le radeau de la Méduse) von Théodore Géricault Quelle: wikimedia

Was Hunger philosophisch für uns bedeutet – Hunger und die Medien

Hunger als Phänomen ist in unserer modernen Gesellschaft in den Hintergrund gerückt. Ich möchte bezweifeln, dass jemand aus Deutschland noch tatsächlich Hungersnöte erleidet, wie es vielleicht nach dem zweiten Weltkrieg der Fall war oder im 19. Jahrhundert als die Versorgungslage in Europa wirtschaftlich noch nicht als stabilisiert galt. In funktionierenden Demokratien, so zeigt es die Statistik, kommt es nur unter extremsten Ausnahmebedingungen zu Hungersnöten. Zunächst ist für eine philosophische Näherung an das Hungerproblem Folgendes relevant: Was wir im Alltag zumeist als Hunger bezeichnen, stellt eigentlich Appetit dar und ist nicht zu vergleichen mit den Qualen, die mit wochenlangem Nahrungsentzug einhergehen. Wir kennen das Problem des Hungers als Bürger reicher Industriestaaten in der Regel nicht mehr und haben maximal eine Ahnung davon. Auch in den Medien werden wir kaum noch mit Hungernden Menschen konfrontiert. Angesichts der 900 Millionen hungernden Menschen (Quelle: Wikipedia) wird nun schnell vermutet, dass die Medienlandschaft stumpf geworden ist, über dieses Problem zu berichten. Wir vermuten, dass unsere abstruse Werbeindustrie ein Problem, das seit Jahrzehnten existiert, nicht mehr als neuartige Information verkaufen kann und daher ignoriert. Nun findet aber in unserer Wahrnehmung ein entscheidender Fehler statt. Wir vermuten doch, dass diese 900 Millionen Hungernde nah am Hungertod darben. Rein logische Überlegungen zeigen aber, dass das nicht der Fall sein kann. Würden nämlich von diesen 900 Millionen jährlich auch nur die Hälfte tatsächlich am Hungertod sterben, so würde sich die Weltbevölkerung schnell um den Anteil der Hungernden dezimieren. Generell würde bei dieser Masse an stark Hungernden die Weltbevölkerung schnell zusammenschrumpfen. Nach 10 Jahren wären die Menschen vom Erdboden verschwunden. Hunger, wie er hier also als Term gebraucht wird, ist aus diesem Grund nicht zu verwechseln mit einer akuten Hungersnot. Tatsächlich bezeichnet Hunger hier „nur“ die tägliche Unterversorgung und der Mangel an bestimmten Nahrungsmitteln (http://one.wfp.org/german/?n=32). Mit dieser Umdeutung des Begriffs „Hunger“ tritt aber ein erhebliches Interpretationsproblem auf, dessen sich die meisten nicht bewusst sind und dies ist für uns auch philosophisch relevant, denn es interessiert uns ja gerade die Grenzerfahrung des Hungers, derer sich beispielsweise auch viele Asketen wie Philosophen bedienten. Was genau wird nun als Hunger gewertet?

Die Vier apokalyptischen Reiter von Dürer. Quelle: wikimedia. Der Hunger war lange Zeit eine extreme Bedrohung der Menschheit.  Im Mittelalter galt der Hunger noch als eine der Plagen, die die Menschheit vernichten würden. Heute hat er diese apokalyptisch-philosophische Bedeutung verloren

Die Vier apokalyptischen Reiter von Dürer. Quelle: wikimedia. Der Hunger war lange Zeit eine extreme Bedrohung der Menschheit. Im Mittelalter galt der Hunger noch als eine der Plagen, die die Menschheit vernichten würden. Heute hat er diese apokalyptisch-philosophische Bedeutung verloren

 

8,8 Millionen Hungertote jährlich
Welche Versorgung wird als derart vollwertig betrachtet, so dass wir nicht von Hunger reden müssen? In den Medien wird an dieser Stelle immer wieder aufgetischt, dass in den armen Familien zum Beispiel überhaupt kein Fleisch auf den Tagesplan kommt. Fleisch aber ist für eine vollwertige Ernährung nicht notwendig (zumindest wenn eine hohe Lebenserwartung als notwendiges Kriterium gezählt wird, sind die Statistiken eindeutig). Wird Fleisch tatsächlich zu einer vollwertigen Ernährung gezählt, so zählen dann alle Vegetarier auf der Welt als Hungernde? Das wären dann 700 Millionen Hungernde. Das möchte ich dem Hungerindex natürlich nicht unterstellen, aber das Verhältnis von 900 Millionen Hungernden zu 8,8 Millionen tatsächlich Hungertoten wirft die Frage auf, was denn das ganze nun bedeuten soll. Ich gehe nun davon aus, dass wir eher von einem geringer dramatischen Gerechtigkeitsproblem sprechen als von einem tatsächlich akuten Problem, das alle Handlungsgewalt in uns mobilisieren müsste. Ich denke, dass wir im Grunde die Lebensweise der westlichen Welt mit weniger industrialisierten Ländern vergleichen und dabei bemängeln, dass die Versorgung in anderen Staaten viel schlechter ist als bei uns. Selbstverständlich ist dieser Vergleich berechtigt, aber die Ergebnisse sind dann keineswegs so dramatisch, wie es sich zunächst anhört, wenn wir mit Hunger undifferenziert Hungertod verbinden.

Verbesserung der weltweiten Lebensumstände seit dem 19. Jahrhundert weltweit
Es könnte doch sein, dass das weltweite Hungerproblem sich mit der Industrialisierung nicht verschärft, sondern unter gewisser Betrachtung entschärft hat. Das ist natürlich ein Stachel im Genick derer, die die moderne Gesellschaft philosophisch veruteilen und glauben, dass eine in Lagerfeuerromantik getauchte Steinzeitgesellschaft den Tisch von der Natur von selbst gedeckt bekommen hat. Hans Rosling zeigt in seiner genialen Animation hingegen, dass noch im 19. Jahrhundert alle Staaten, was die Lebenserwartung anbelangt, bei einer sehr ähnlichen Ausgangsposition starten. Mit der Industrialisierung verändert sich dann das Lohnniveau vieler Staaten und gleichzeitig steigt die Lebenserwartung. Die Lebenserwartung aber steigt auch in den afrikanischen Staaten, bei denen sich das Einkommen nicht verändert. Ich deute das ganze nun so, dass wir davon ausgehen können, dass der weltweite akute Hunger (Hungersnot) so dezimiert worden ist, dass wir gestiegene Lebenserwartungen weltweit haben (die medizinische Versorgung darf dabei natürlich auch nicht unterschätzt werden). Insofern aber gibt es tatsächlich weniger fatalen Hunger als früher.

Wer ein bisschen mit dem Gapminderprogramm von Hans Rosling experimentieren möchte, kann auf folgendem Ling den Gapminder finden. 

Natürlich tritt hierbei ein gewisser Fahrstuhleffekt auf. Da sich die Lebensstandards in den westlichen Staaten dermaßen gewandelt haben, fordern wir diese Lebensstandards auch für die anderen Staaten, denn mit welchem Recht sollte das Privileg der Geburt in einem westlichen Land rechtfertigen, dass es diesen Menschen nun besser gehen dürfe? Eine leistungsgerechte Gesellschaft kann sich diese Ungleichheiten nicht leisten. Wir fordern also von einer höheren Etage, den Standard unserer Lebensweise für alle ein und auch nur dieser Status der Verallgemeinerbarkeit von Lebensweisen sollte als Prüfkriterium für philosophisch-moralische, gerechte Gesellschaften gelten. Das Problem aber am Welthunger nun ist, dass uns falsche Vorstellungen von Drittweltländern vermittelt werden. Es handelt sich nämlich oftmals nicht um akute Probleme über die wir uns den Kopf zerbrechen müssten und unsere Regierungen zum soforten Umlenken bewegen müssten, sondern um weitreichende, komplizierte, strukturelle Änderungen, die durch keine einzelne philosophische Idee, sondern nur durch das Mitwirken vieler Menschen in einem langsamen, aber dafür beständigen Prozess umgesetzt werden können.

Bis hierhin also erstmal, die Fortsetzung findet ihr unter meinen früheren Beitrag, dort werde ich die Frage nach planwirtschaftlicher Umverteilung stellen und auf eine eigentliche Ursache des Hungers, nämlich den Krieg, zu sprechen kommen. Die nächsten Tage werde ich mich dann meinem eigentlichen Ziel zuwenden und den Hunger mit der Philosophie in Verbindung bringen. Gerade für Asketen spielt in der Möglichkeit das Jenseits zu erfahren eine bedeutende philosophische Rolle. Ich würde mich natürlich freuen, wenn ihr von einer der zahllosen Abo-Möglichkeiten Gebrauch macht oder meinen Beitrag weiterempfehlt.

Emailadresse eintragen: weil ihr so auf dem Laufenden bleibt
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Schnelllesen – Philosophie und die Grenzen des Lesbaren (Teil 3)

Reading monk - Lesender Mönch in Dharamsala

Schnelllesen heißt vor allem effizien lesen (CC_Foto:Von alles-schlumpf)

Schnelllesen erscheint mir als eine sehr elitäre Veranstaltung. Offensichtlich ist dieses Bildungsgut für eine Oberschicht reserviert, die auch das nötige Kleingeld hat (12.000 Euro für einen Seminar mit unzureichender Erfolgsaussicht? Selbst Juristen haben da höhere Erfolgsaussichten während ihres Studiums). Philosophisch betrachtet ist das nicht gerecht, denn trotz meiner vorherigen Kritik Schnelllesen ist eine Technik, die höchst effektiv ist, andererseits aber wohl wenig bekannt. Mein Lösung wäre es hier Trainingsprogramme von staatlicher Seite kostengünstig bis kostenlos einzurichten . Erfolgreiche Teilnehmer verpflichten sich dann in weiteren Seminaren dieses Wissen an andere weiterzugeben, insofern sie kostenlos teilnehmen. Der komparative Vorteil für unsere Gesellschaft wäre immens.

In den letzten Beiträgen hatte ich zu diesen elitären Veranstaltungen ja noch zusätzlich angemerkt, dass die Geschwindigkeiten von 6.000 Wörter pro Minute nicht für jedwede Literatur gelten vor allem nicht für Philosophie. Unser Verstehen diktiert die Geschwindigkeit. Philosophisch betrachtet ist das Verstehen die Grenze der Welt. Bei belletristischer Literatur allerdings ist unser Verstehen oftmals unterfordert. Wir kämpfen uns vor allem durch ein Gestrüpp von Redundanz (ein Grund, warum ich das Lesen von nicht-philosophischen Romanen nie wirklich genießen konnte). Mit der amerikanischen Philosophie allerdings kommt ein Zug in die Philosophie, wobei behauptet wird, dass Texte besonders einfach sein müssten. Zu gewissen Graden stimme ich diesem Sachverhalt auch zu, wir sollten immer bestrebt sein Sachverhalte so einfach wie möglich darzustellen. In der Regel aber sind die einfachen Dinge, auch die Dinge, die jeder schon weiß. In der Folge sind die einfachen Dinge auch oftmals die langweiligen Dinge. Ohne Herausforderung geht einer durch die Ödnis der Gedanken. Mein Philosophieprofessor sagte zu uns Studenten immer, es tue ihm leid, er interessiere vorrangig für die schweren Texte. Erst diese Texte ermöglichen das Vorankommen.

Der Trend zur Einfachheit führt zu vielen Papierbergen. Philosophische Bibliotheken beispielsweise werden zu grenzenlosen Papierlandschaften. Wer sollte das alles lesen? Kim Peak, der als Autist eine enorme Geschwindigkeit beim Lesen hatte, las jeweils mit einem Auge eine Buchseite, aber selbst er schaffte es „nur“ auf 10.000 Bücher in seinem Leben. Der Schlüssel zum Erfolg liegt daher nicht unbedingt in unserer Lesegeschwindigkeit, sondern in unserer Leseeffizienz. Was aber sollten wir daher lesen? Die möglichst einfache Literatur? Wo nicht mehr die Klassiker in ihrer Strukturtiefe erforscht werden, sondern immer nur wieder das dargestellt wird, was ohnehin schon klar ist, dort werden wir keine interessanten Gedanken finden. Dort werden wir uns langsamer bewegen als wir könnten.

 Was ist Redundanz?

Ich selbst konnte meine Schnelllesegeschwindigkeit auf 1000 Wörter pro Minute steigern, dies war allerdings nur für sehr redundante Literatur möglich, wo ich aus dem Zusammenhang den nächsten Schritt immer schnell erschließen konnte. Daher müsste die Angabe genauer heißen: Ich habe einen Range von ca. 30 – 1000 Wörtern pro Minute. Um das mal zu verdeutlichen: Euch ist bestimmt dieser Text bekannt:

"Nach eienr Stidue der Cmabridge Uinverstiaet, ist es eagl in wlehcer Reiehnfogle die Bchustebaen in Woeretrn vokrmomen.  Es ist nur withcig, dsas der ertse und lettze Bchusatbe an der ricthgien Stlele snid. Der Rset knan total falcsh sein und man knan es onhe Porbelme leesn. Das ist so, wiel das mneschilcge Geihrn nihct jeedn Bchustbaen liset sodnern das Wrot als gaznes."

Sehr überzeugend oder? In der Erklärung heißt es dann ganz plausibel, dass das Gehirn immer nur den ersten und letzten Buchstaben brauche, um ein Wort zu identifizieren. Nun wer das glaubt, ist einem klassischen Plausibilitätsargument aufgesessen, denn er versuche sich mal an folgendem Text:

„Der ainemglele Gtarusdnz alelr drei Aoiglnean buehrt auf der neoitgenwdn Eenhiit der Atepropeipzn, in Asnhnueg alles mcghiöeln eehipsrimcn Btsuewenißs, (der Wemnhhnaurg,) zu jdeer Zeit, fcilolgh, da jene a priroi zum Grunde lgeit, auf der stnhysihetecn Eniheit aellr Encnhsurigeen ncah irehm Vesihtsrnäle in der Zeit. Dnen die uhrnrgclspüie Azptipeerpon bziheet sich auf den ienernn Sinn (den Iebngriff alelr Vtruonengllse), und zwar a priroi auf die Form dlseebsen, d. i. das Vilärneths des meilgninaafgtn eihirspemcn Buwistßenes in der Zeit. In der uihrrpcüglsenn Apetizporepn soll nun alle deeiss Magnliantfgie, senien Zäveihetslsrntein nach, veiriegnt wrdeen; denn dseeis sagt die tnannredtalzese Eihenit dlersbeen a prorii, utenr wehlcer alels steht, was zu meneim (d. i. meienm eiineng) Ernnsistekne greeöhn slol, mtihin ein Getnesgand für mich wdeern knan. Disee scnyesthihte Eihinet in dem Zrslsnhetiieätve alelr Whhnnrueeamgn, wchlee a poirri bmmeistt ist, ist aslo das Getsez: daß alle eehpiimrscn Zimtbngimuseteen uentr Regeln der aengebn Zmnsietbteiumg stehen msesün, und die Aigaleonn der Ehrraufng, von dneen wir jetzt hleadnn weolln, messün delrgecihen Relegn sein.“

Dieser Textabschnitt zeigt Kants philosophische Behandlung der Analogien der Erfahrung und ich glaube kaum, dass ihr durch diesen Text durchgekommen seid. So viele Fremdwörter enthält er nicht, allerdings ein geringes Maß an Redundanz. Kant argumentiert philosophisch streng logisch, dies hat zumindest den Vorteil, dass sich nicht ganz so vieles wiederholt. Nun die Interpretation solcher Textabschnitte füllt selbst wieder Bände, aber nicht weil der Philosoph Kant sich unbedingt so kompliziert ausdrückte, sondern weil das Problem selbst unglaublich schwer zu fassen ist. Immerhin nimmt die „Kritik der reinen Vernunft“ 700 Seiten in Anspruch. Kant selbst formulierte, dass man es ihm verzeihen möge, dass er auf Beispiele an der ein oder anderen Stelle verzichtet hätte, aber es war ihm daran gelegen, den wissenschaftlich-philosophisch erforschbaren Ansatz erstmal aufzuschreiben, damit wir dann daran weiter forschen können. Bei schwierigen Problemen müssen wir daher zunächst auch durch die Dunkelheit einer noch unfertigen Sprache. Worte müssen für diese Probleme noch erfunden werden und hier spielt sich der texteffiziente Inhalt der Philosophie ab, es geht um eine Grenzbestimmung dessen, was wir noch nicht kennen können.. 

Beim Lesen solltet ihr also effizient erkennen, was ist relevant und was ist redundant. Wer dieses schafft, ist schon ein gutes Stück weiter und spart viel Zeit. Lesegeschwindigkeit ist nicht alles, auch wenn ich es gerne in der Weise von Kim Peak oder Sean Adams könnte.

 Norman Schultz
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Zum Tod von Steve Jobs und zur Philosophie der Einfachheit

Steve "Moses "Jobs Delivers Tablet

Gebote der Einfachheit (CC_Foto: Photo Giddy)

Steve Jobs ist tot. Eine Nachricht, die die Meldungen über die Verleihung der Nobelpreise übertönt. Hätte Jobs mit seinem Schaffen einen Nobelpreis verdient? Wohl kaum. Nicht Wissen, das der Menschheit unwahrscheinliches Fortkommen in der Überwindung ihrer Grenzen bringt, spielte bei ihm eine Rolle, sondern eine gut durchdachte Marketingphilosophie.

War es Wissen um das Ganze des Vertriebs, was Jobs zum Milliardär machte oder war er nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort? War es Zufall oder Notwendigkeit, dass er mit seinem Wesen vorankam? Die Wiedererfindung des Alten machte Jobs zu einer Ikone. Angeblich gehörte es zu seinen wesentlichen Einfällen beim Iphone den Stift „einfach“ wegzulassen; schlicht auf den Finger zur Bedienung zu setzen. Diese Einfachheit ist dann bei Applejüngern als philosophisches Programm gefeiert worden. Ist dies heute schon genial? Er selbst sagte über seine Fähigkeiten bezeichnendes „Wir waren ziemlich schamlos beim Stehlen großer Ideen“ (Steve Jobs zurückgetreten – Vom Erfinder zum Revolutionär in Serie – Bild 3 – Wirtschaft – sueddeutsche.de).

Steeve Jobs ist tot. Eine simple Nachricht begleitet die simplen Ideen eines simplen Mannes. Er selbst erfand sich bald als einfacher Mann, der schlicht im schwarzen Rollkragenpulli und mit Jeans die Einfachheit erklärte. Die Nachrufe mögen sich in alle Richtungen verteilen, jedoch mehr als Einfachheit hat er nicht erreicht. Rentiert hat es sich zumindest: Das Wirtschaftsmagazin Forbes Magazine schätzte sein Vermögen 2011 auf 8,3 Mrd. US-Dollar.

Das Mysterium Apple basierte hiernach vor allem auf der Philosophie, dass ein minimalistisches Programm Zeitersparnis verschafft. Die Eleganz liegt seit jeher in der Philosophieder Einfachheit, weil sie längeres Nachdenken verhindert. Es ist einfach gut, weil es so gut ist. Diese Philosophie der Einfachheit verdanken wir jedoch nicht Jobs, wohl aber den Briten und Amerikanern. In einer beispiellosen Ablehnung der „typisch-deutsch“ strukturierten idealistischen Programme brachten britische und amerikanische Philosophen die Philosophie der Einfachheit auf den Weg. Die These von Ockams Rasiermesser besagte klar und deutlich, dass sich bei zwei konkurrierenden Thesen, wir uns im Zweifel für das Einfachere entscheiden sollen. Der Philosoph Russel schließlich wehrte sich gegen die Hegelianische Philosophie und postulierte schlicht und ergreifend, dass die Realität vor allem aus einfachen Dingen bestand. Angesichts einer überkomplexen Welt sicher eine Alternative. Der Blick verengt sich jedoch zur Schmalspurphilosophie ohne notwendige Skepsis.

Die Philosophie der Einfachheit bietet für den Durchschnittsbürger nicht mehr als den wohligen Ort der Ausgeglichenheit und Harmonie, aber wenig Realität. Es ist wohl daher auch wesentlich, dass wir uns gerade mit Jobs Philosophie der Einfachheit in die elektrifizierte Welt flüchteten, die ohnehin einfacher und aufgeräumter erschien. Für Amerikaner kam diese Philosophie gerade recht. Die Welt scheint nur kompliziert, im Grund aber wäre alles auf Einfachheit reduzierbar. Die Republikaner machten das jeden Wahlkampf auf das Beste zu ihrem Thema, auch sie profitierten von der Philosophie der Einfachheit. Diese Einfachheit wird ihnen auch diesmal den Wahlerfolg sichern.

Warum war Apple am Ende besser als Microsoft? Schlicht, weil Apple einfach besser war. Die Jünger brauchten keine Erklärungen. Gleiche Gründe bekommen wir ja geliefert, wenn wir die Werbesprüche zum Iphone hören. Auf die Frage, was eigentlich ist, wenn wir kein Iphone haben, bekommen wir die Antwort, „dann hast du kein Iphone“.

Wenn Menschen schnell und einfach verstanden werden, dann sind sie Rockstars. Nicht der Philosoph ist der Held unserer Zeit, nicht der Komponist, der Jahre über seinen Ausdruck forscht, sondern der Herr, der seine Politik oder Philosophie schnell auf den Punkt bringt. Das amerikanische Flair des schnellen Erfolgs in einer Philosophie der Einfachheit repräsentierte Jobs wie auch andere. Was in der amerikanischen Philosophie Gang und Gäbe ist, dass einfache Texte präferiert werden, setzte sich auch klar als Marketingphilosophie durch. So ist wohl auch die Parodie um den amerikanischen Traum zu verstehen, die der Film Forrest Gump aufzeigte. Forrest Gump wollte nie den Erfolg, weil er allerdings so einfach war, bekam er den Erfolg und so kaufte Forrest Gump auch Apple.

Die Philosophie der Einfachheit war auch der Grund warum Applejünger seit jeher so nervten. Wie Anhänger einer Sekte, die das Heil in unendlicher Liebe und Urschreien zu finden wussten, so wussten Applejünger, dass nur ein Apple das Leben erleichterte. Sie wirkten teilweise inspiriert und borniert wie Jünger von einem Jesus-Treffen. „Selig sind die Armen des Geistes, denn ihres ist des Himmelsreich.“ predigte Jesus noch in der Bergpredigt und anderes predigte Jobs seinen Jüngern auch nicht. Apple machte diese Einfheitsphilosophie und Religion zu einem Konzern, der mehr wert ist als die amerikansiche Footballleaque oder mehrere Apollomissionen. Ohnehin ist nach heutigen Ermessen Apple mehr wert als alle Nobelpreise zusammen und das macht den Tod von Steve Jobs zu einem medialen Ereignis. Dabei ist es so einfach, ein einfacher Mann mit einer einfachen Vision ist gestorben.

Auch einer der Erforscher des Krebsleidens ist dieser Tage gestorben. Er erhielt hierfür den Nobelpreis, anders als Jobs aber hatte er keine einfachen Lösungen parat, sondern konnte das wesentliche Problem nicht lösen. Einfachheit verdrängt im Denken das Komplexe, das Komplexe aber bedrängt unser Denken. Die Hymne an den Minimalismus drückt wohl Eric Saties Gymnopedie am besten aus (auch wenn Satie kein Minimalist ist). Das Ganze in der Spannung der Einfachheit muss tiefer gehe. Diesem inneren philosophischen Gehalt seines Stückes kam ein Marketingphilosoph wie Steve Jobs niemals auf die Spur. Jobs Philosophie der Einfachheit schaffte es nie diese Einfachheit im Ganzen zu denken, sondern bezog sie nur auf eine Marketingstrategie. Apple bringt kein Seelenheil und hat keine Botschaft. Was sich auch für die Applejünger nach und nach enttarnte, war, dass Apple nur ein weiterer Big Player im Spiel um das Einfachste der Gesellschaft war, nämlich das Geld.

Ein Mann ist gestorben. Dies ist tragisch, aber es ist auch nichts einfacher als diese Nachricht. Mehr Botschaft gibt es in dieser Nachricht eigentlich nicht.

 

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Der Philosoph Kant für die Hand – Grenzen der Didaktik

Die Systematik des Philosophen Kant ist mit Sicherheit ein überkomplexes Schraubengewinde. Beim Lesen der oftmals unnötig komplex verschachtelten Sätze bleibt nicht viel in den Hirnwindungen hängen. Unter allen Philosophien empfinde ich daher die Philosophie Kants als eine der schwersten. So ist es gut, dass nun endlich auch der Philosoph Kant für die Hand erscheint.

Uns sind ja schon seit vielen Jahren sinnlose Werkzusammenstellungen wie „Rilke für Gestresste“ oder „Mit Kant am Strand“ bekannt. Ich habe mal unten Affiliate-Links genommen, um das darzustellen, da ich so für die Bilder keine Urheberrechtsverletzung begehe. Wenn ihr wollt, könnt ihr natürlich trotz meiner schmähenden Kritik diese kaufen ;)

Das Wortspiel verzückt jeden anderen Philosophen, den ihr am Strand trefft

Das Wortspiel verzückt jeden anderen Philosophen, den ihr am Strand trefft

Wer bitte liest bei Streß philosophische Gedanken von Rilke?

Wer bitte liest bei Streß philosophische Gedanken von Rilke?


 

 

 

 

 

 

 

 

Dies sind natürlich nicht die einzigen Bücher aus der Reihe „Wir kombinieren den Namen eines Philosophen mit einem werbewirksamen Reim„. In meiner Sammlung fehlen mir allerdings noch „Auf einen Kaffee mit Kafka„, „Chillen mit Schiller„, „Goethe für Blöthe„, „Mit Hegel beim Segeln“ und der Straßenfeger „Niemand ist so hart wie Kierkegaard„. Ihr denkt so dumm geht es nun auch nicht? Dann würde ich euch doch einen Spaziergang empfehlen, bei dem ihr mit der richtigen Musik darüber meditiert:

Ich stelle mir schon vor, wie ich mit der richtigen Musik im Wald, davon walke. Für die Marketingstrategen hätte ich da noch weitere Titel im Angebot, die ich allerdings zensieren muss, so zum Beispiel „Kxxxxx mit Khachaturijan“ oder  „Bxxxxx mit Bach“


Gut belassen wir es bei dem Brachialhumor. Dennoch Hanno Depners „Kant für die Hand“ ist etwas anderes. So geht er doch an die Philosophie mit dem Anspruch, diese auch sinnlich erfahrbar zu machen. „Kant für die Hand“ ist ein ausklappbarer Würfel, der das System der „Kritik der reinen Vernunft“ darlegt.

Depners Werk hat dabei tatsächlich didaktische und philosophische Qualitäten. Was die philosophische Phänomenologie schon lange wusste, dass unser Denken immer aus dem Zusammenspiel von existentialer Körperlichkeit und Räumlichkeit in Bezug auf Zeithorizonte bestimmt ist, macht er hier eigens zum Thema. Eine dreistündige Bastelerfahrung soll in eine der größten Philosophien der Geschichte einleiten. Der ornamentreiche Würfelbau illustriert die Kantische Philosophie in ihrem Wunsch nach Exaktheit. Der Übergang von der Unmöglichkeit Gott zu beweisen hin zu einer Philosophie der Freiheit, stellt Depner mit zwei eigenen Kästen im ausgeklappten Würfel vor. Er kombiniert dies mit dem philosophischen Anspruch ein System abzuliefern. Dieses System findet seine Einheit in einem aufgeräumten barockschen Gebäude, das den Schnörkeln der Kantischen Philosophie aus mehr als gerecht wird und worin jedes Phänomen seinen Platz hat und zwar nach der Idee des Gebäudes selbst.

Ein Gebäude des eigenen Denkens zu errichten, das war der erste Anklang der Klassik. Die Philosophie legte ja seit Descartes immer wieder Wert auf das richtige Fundament und den funktionalen Aufbau ihrer Argumentationen in Bezug auf ein Ganzes. Das Haus der Philosophie gibt den Menschen erst dann die Möglichkeit in Freiheit zu leben, wenn sie denn das Fundament errichtet haben (der korrekte Anfang des Denkens) und nach den Gesetzen der Statik (Logik), dann dieses Gebäude auch errichten. Der Philosoph Kant als Vorläufer einer Systemphilosophie kommt in diesem Würfel also vor allem in der architektonischen Grundlage seines Hauptwerkes zur Geltung, aber seht selbst:

Die Kürze der Zeit verhinderte wohl die Präzision Depners, dennoch ist es faszinierend, wie wir in die Welt eines Philosophen vordringen, indem wir sein System plastisch darstellen.

Natürlich fragt sich der Durchschnittsbürger, warum er einen Nachmittag damit verbringen soll, Kants philosophisches System nachzubauen. Der Jahrhundertphilosoph Kant von vielen als Meilenstein der Unverständlichkeit bezeichnet, fand nicht den Weg durch didaktische Bestimmungen, so dass er heute auch als philosophischer Meilenstein verstanden ist. Der Philosoph Kant kam nie bei der Gesellschaft an, anders ist es nicht zu erklären, dass in den Wissenschaften wie der Physik immer noch geglaubt wird, das Ganze der Welt sei durch das physikalisch phänomenale Teilchen eines Teilchenbeschleunigers aufweisbar.

Ein Plädoyer für den Philosophen Kant
Kant zeigte wie kein anderer die Rätsel der Vernunft an uns selbst. Dieses Hineinfragen in die Prämissenlandschaften unseres gesamten Denkens kann schließlich auch der Würfel nicht aufzeigen, sondern nur das Philosophieren zwischen Menschen leisten. Zudem wesentlichsten Erfolg Kantischer Philosophie gehörte es wohl die transzendentale Perspektive des Ich zu entdecken. Dieser Fluchtpunkt, der nur ein transzendentales Ich übrig lässt, das im physikalischen Sinne keine empirische Realität besitzt, war eine Errungenschaft, die der alten Debatte zwischen Rationalismus und Empirismus ein philosophisches Ende setzte.

Der Philosoph Kant entdeckte hinter allen Zirkeln des Denkens und allen Verwirrungen der äußeren Sinneseindrücke die einende Kraft eines größeren Ganzen, das nur wir selbst sein können. Diese Durchgängigkeit des Ganzen wirkt mit uns und bringt überhaupt alle Gegenstände des Denkens, Innen als auch Außen, in die konzeptionelle Fassung des transzendentalen Ideals. Es mutet schwer an sich sich diesen Gedanken zu nähern und tatsächlich muss sich der Leser, um diese Fragen zu verstehen, durch einen umständlichen Apparat an kategorialen Voraussetzungen und Überlegungen zur Anschauung kämpfen. Dennoch die Einsichten in unser Selbstverständnis lohnen sich, denn am Ende kann der Leser genauer unterscheiden, welche Aussagen (gleich wo geäußert) sich auf tatsächliches Wissen berufen können. Der genuinen Frage der Philosophie, nämlich der Frage nach Wahrheit, hatte der Philosoph Kant damit bis heute seinen Stempel aufgedrückt. Ich bezweifle allerdings, dass jemals eine Einleitung oder ein Würfel dieser Philosophie in vollem Umfang gerecht werden wird, daher bleibt nur der Weg des Philosophierens. Didaktik erübrigt sich, wenn Menschen mit Verständnis Diskurse führen.

So wer bis hierher durchgehalten hat, der kann belohnt werden, so er es denn möchte. Ich verlose einmal das Sinnlosbuch „Heidegger für Barbesucher“. Also einfach einmal im Kommentar laut „HIER“ schreien, insofern Interesse besteht.

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